Forschungsklonen
Stand: Februar 2024
Ansprechpartnerin: Aurélie Halsband
Bei vielen Lebewesen findet die geschlechtliche (sexuelle) Fortpflanzung über die Bildung und Rekombination von Keimzellen (Samen- und Eizellen) statt. Durch die Zusammensetzung des elterlichen Erbguts entsteht ein neues Genom. Unter Klonierung versteht man im Gegensatz hierzu eine Form ungeschlechtlicher (asexueller) oder vegetativer Vermehrung, bei der das Genom des entsprechenden Organismus dupliziert wird. Es kommt nicht zu einer Neuordnung (Rekombination) von Genen, sondern es entsteht eine genetisch nahezu, ggf. auch vollständig identische, „Kopie” des Originals. Bei vielen niedriger entwickelten Tieren und den meisten Pflanzen ist die Klonierung neben der sexuellen Reproduktion eine gängige Form der Fortpflanzung.
Gegenstand dieses Blickpunktes ist das Klonen zu Forschungszwecken bzw. das therapeutische Klonen. Das reproduktive Klonen, d. h. der Einsatz der Technik zu Zwecken der Fortpflanzung, wird hingegen nur insofern berücksichtigt, als die Techniken bis zu einem bestimmten Punkt identisch sind.
Um mögliche Missverständnisse zu vermeiden, wird der in der öffentlichen Debatte vielfach verwendete Begriff des „therapeutischen Klonens” im Folgenden durch den Begriff des Forschungsklonens ersetzt bzw. ergänzt. Ein Großteil der gegenwärtigen Forschung zielt nicht auf konkrete Therapievorhaben ab, sondern ist dem Bereich der Grundlagenforschung zuzuordnen. Diese Grundlagenforschung kann und soll zwar langfristig in die Entwicklung neuer Therapien münden, dient aber vor allem auch dem grundsätzlichen Verständnis der wissenschaftlich relevanten Prozesse.
Der Zellkerntransfer als zentrale Methode des Forschungsklonens
Im Labor können Organismen auf verschiedene Weisen künstlich kloniert werden. Für das Vorhaben des Forschungsklonens ist der sogenannte Zellkerntransfer die wichtigste Methode. Beim Zellkerntransfer (engl. somatic cell nuclear transfer [SCNT]) wird der Kern einer beliebigen Körperzelle, z. B. einer Hautzelle, in eine zuvor entkernte Eizelle eingebracht. Der Zellkern kann dabei praktisch aus jeder adulten Körperzelle einer spendenden Person isoliert werden. Die im Anschluss an eine spezielle Hormonbehandlung aus den Eierstöcken einer spendenden Person mittels Punktion gewonnene Eizelle wird entkernt, indem mit einer Mikropipette der Zellkern abgesaugt und durch den aus der Körperzelle abgesaugten Zellkern ersetzt wird. Der Transfer des neuen Zellkerns erfolgt dabei durch Injektion in das Zytoplasma der Eizelle. Von der Eizelle ausgehende, in ihrer genauen Wirkungsweise bislang noch weitgehend unverstandene Impulse bewirken eine Reprogrammierung des Zellkerns bei dem dieser seine Spezialisierung verliert. Aus seinem bereits differenzierten Zustand wird der Zellkern damit in einen Zustand zurückversetzt, der es ermöglicht, dass sich ein Embryo entwickelt. Bisher ist die Effizienz des Verfahrens des Zellkerntransfers sehr gering, maßgebliche Forschungsbemühungen zielen noch auf das grundlegende Verständnis der involvierten Prozesse ab.
Der klonierte Embryo ist hinsichtlich des im Zellkern enthaltenen Erbmaterials genetisch identisch mit der Person, die den Zellkern gespendet hat. Allein die Mitochondrien, d. h. die Zellbestandteile, die der Energiegewinnung innerhalb der Zelle dienen, entstammen der Eizelle. Vollständige Identität des Erbmaterials wird nur erreicht, wenn die Person, die den Zellkern spendet und die Person, die die Eizelle spendet, genetisch identisch sind.
Bekanntheit erlangte das Verfahren des Zellkerntransfers durch die Forschungsergebnisse des Teams um den Embryologen Ian Wilmut. Diesem war es 1997 erstmals gelungen, einen Säugetier-Embryo durch den Transfer des Zellkerns einer adulten Körperzelle in eine entkernte Eizelle zu erzeugen und zur vollständigen Entwicklung zu bringen. Das „Klonschaf Dolly” steht seitdem für den Erfolg der Forschung, aber auch für die Möglichkeit einer Anwendung der Technik für reproduktive Zwecke, die ethisch überaus umstritten ist.
In technischer Hinsicht sind Forschungsklonen und Klonen in reproduktiver Absicht nicht grundlegend verschieden. Entscheidend ist allerdings, dass der Embryo im Falle des Forschungsklonens nicht in einen Uterus (Gebärmutter) eingebracht wird, um ihn zur Geburt zu bringen. Er wird vielmehr in einem frühen Stadium der Embryonalentwicklung (dem Blastozystenstadium) zerstört, um ihm embryonale Stammzellen (ES-Zellen) entnehmen zu können, die sich in vitro zu bestimmten Zelltypen ausdifferenzieren lassen. Der Ansatz wird insofern nicht unzutreffend als „therapeutisches Klonen” beschrieben, als dass die Hoffnung besteht, die so verfügbar gewordenen Zellen schließlich dem Organismus, der anfangs den Zellkern gespendet hatte, zu Therapiezwecken wieder übertragen zu können. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird die Klonierung dort, wo sie gesetzlich erlaubt ist, jedoch meist zu Forschungszwecken betrieben.
Ziele des Forschungsklonens
Primäres Ziel des Forschungsklonens bzw. des therapeutischen Klonens ist die Gewinnung von embryonalen Stammzellen (ES-Zellen). Diese Zellen sind für die Forschung deshalb interessant, weil sie sich unter entsprechenden Bedingungen in nahezu alle verschiedenen Typen von Körperzellen entwickeln können. Diese Fähigkeit wird als Pluripotenz bezeichnet. Ob über Klonierung erzeugte Stammzellen sich unter Bedingungen der Zellkultur auch in totipotente Zellen umwandeln können, ist umstritten. Ein experimenteller Nachweis der Totipotenz von embryonalen Stammzellen verbietet sich aus ethischen Gründen, da es hierzu nötig wäre, einen vollständigen Organismus heranreifen zu lassen.
Langfristiges Ziel des Forschungsklonens ist die Gewinnung autologer Stammzellen für therapeutische Zwecke, d. h. solcher Stammzellen, deren genetische Merkmale mit den genetischen Merkmalen der zu therapierenden Personen weitgehend identisch sind. Auf diesem Wege wäre eine hohe Immunkompatibilität der zu Therapiezwecken in einen Organismus eingebrachten Zellen oder Gewebe gewährleistet und eine Reihe von Komplikationen würden vermieden, die bei Verwendung heterologer (z. B. durch Organspende verfügbar gewordener) Transplantate auftreten. Vor allem erhofft man sich im Falle eines Forschungserfolges mittels der Klonierungstechnik eine Transplantationsmedizin zur Verfügung stellen zu können, bei der die bisher nötige dauerhafte Gabe von Immunsuppressiva unnötig oder zumindest gemindert wäre und die darüber hinaus die bisherige Knappheit an Transplantaten beheben würde.
Das erfolgreiche Klonen menschlicher Embryonen gelang erstmals 2007 einer US-amerikanischen Forschungsgruppe um Andrew French. Dabei wurde aus menschlichen adulten Hautzellen der Zellkern entfernt und in entkernte Eizellen übertragen. Aus fünf der mit dem fremden Erbgut bestückten Eizellen entwickelten sich Blastozysten, deren weitere Entwicklung von den Wissenschaftler*innen abgebrochen wurde. Bei einer der Blastozysten konnte die erfolgreiche Klonierung, also die genetische Identität von Stammzelllinien und Spendendenzelle, sicher nachgewiesen werden.
Die erstmalige Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen aus geklonten Embryonen erfolgte 2013 durch die Forschungsgruppe um Masahito Tachibana und Shoukhrat Mitalipov. Die beteiligten Wissenschaftler*innen hatten ebenfalls den Zellkern von adulten menschlichen Hautzellen in zuvor gespendete, entkernte Eizellen transferiert.
Im April 2014 publizierten Robert Lanza von der Biotechfirma ACT und Dong Ryul Lee vom Stem Cell Institute in Seoul die erfolgreiche Etablierung von Stammzelllinien aus einem Klonverfahren mit differenzierten Zellen Erwachsener. Sie gewannen diese aus den Hautzellen einer 35jährigen und einer 75jährigen Person. Somit konnte gezeigt werden, dass die Gewinnung von Stammzellen auch mit Zellmaterial möglich ist, das genetisch und biochemisch schon zahlreiche Veränderungen sowie mutmaßlich Schäden an der DNA aufweist.
Sicherheit der Anwendung
Wie bei anderen neuartigen technologischen Verfahren, die in der Humanmedizin angewendet werden könnten, ergibt sich ein möglicher Streitpunkt in der Bemessung der Sicherheit der involvierten Verfahren. Nach überwiegender Einschätzung handelt es sich bei der Forschung zum therapeutischen Einsatz des Klonens derzeit um Grundlagenforschung.
Hinsichtlich einer möglichen therapeutischen Anwendung und der daran gebundenen Bemessung der Sicherheit des Klonens wäre etwa weiter zu klären, inwiefern die immunologische Verträglichkeit der gewonnenen Stammzellen geprüft, gewährleistet und ggf. verbessert werden kann. Die Annahme, dass mittels Zellkerntransfer gewonnene Zellen besonders selten Abstoßungsreaktionen bei einer späteren Injektion in Patient*innen hervorrufen würden, war durch Studien unter anderem am Mausmodell und dabei aufgetretenen Immunreaktionen in Frage gestellt worden.
Die Frage, ob die Erzeugung menschlicher Embryonen durch Zellkerntransfer zum Zweck der Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen legitim sei, löst sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Kontroversen aus. Gestritten wird dabei weniger über die Legitimität der in Anspruch genommenen Ziele. Die Absicht, immunverträgliche Transplantate herzustellen und die hierfür erforderlichen Differenzierungs- und Reprogrammierungsmechanismen menschlicher Zellen zu erforschen, wird gemeinhin als moralisch hochrangiges Forschungsziel anerkannt. Strittig ist vielmehr, ob die Mittel zur Erreichung dieser Ziele, also das Klonen menschlicher Zellen, akzeptabel und entsprechend rechtlich wie moralisch erlaubt – oder gar geboten – sind.
Forschungsklonen und der Verbrauch von Embryonen
Das therapeutische Klonen bzw. Forschungsklonen zählt zu dem Bereich der verbrauchenden Embryonenforschung, d. h. es impliziert die Vernichtung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken. Dieses bereits in der allgemeinen Stammzellforschungsdebatte relevante Problem wird in der Debatte um das Forschungsklonen dadurch verschärft, dass die Embryonen eigens zum Zweck der Forschung erzeugt werden müssen, es also nicht wie bei der Stammzellforschung möglich ist, auf bereits existierende, nicht transferierbare IVF-Embryonen zurückzugreifen. Kritische Stimmen gegenüber dem Forschungsklonen sehen hierin eine besonders drastische Form der Instrumentalisierung menschlicher Embryonen. Diese wird von vielen auch dann abgelehnt, wenn das Forschungsklonen längerfristig die Herstellung von immunverträglichen Transplantaten ohne den Rückgriff auf Embryonen ermöglichen sollte.
In diesem Sinne wird gegen das Klonen zu Forschungszwecken eingewandt, dass sich auch ein durch Kerntransfer erzeugter Embryo prinzipiell zu einem vollständigen Organismus entwickeln könne. Er sei daher dem auf herkömmliche Weise erzeugten Embryo hinsichtlich seiner Schutzwürdigkeit gleichgestellt. So liegt etwa der gesetzlichen Regulierung des Forschungsklonens in Deutschland eine starke Interpretation des Embryonenschutzes zugrunde.
In der ethischen Diskussion wird in diesem Zusammenhang auf verschiedene, auch in der Debatte um die Forschung an menschlichen IVF-Embryonen und der Debatte um die Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik einschlägige Argumente verwiesen: das Argument der Spezieszugehörigkeit, das Kontinuitätsargument, das Identitätsargument sowie das Potentialitätsargument.
Das Argument der Spezieszugehörigkeit basiert auf der Prämisse, dass jedem menschlichen Wesen bereits aufgrund der bloßen Zugehörigkeit zur Gattung 'Mensch' derselbe moralische Status bzw. dasselbe Recht auf Anerkennung seiner Würde zuzuerkennen sei. Eine Kopplung des Schutz- oder Würdeanspruchs an die Ausprägung spezifischer menschlicher Eigenschaften, wie etwa bestimmter physischer Merkmale oder Bewusstseinsmerkmale wird ausdrücklich abgelehnt. Insofern der klonierte menschliche Embryo der menschlichen Gattung angehöre, sei auch er entsprechend schutzwürdig, so der Schluss der Vertretenden dieses Arguments.
Im Rahmen des Kontinuitätsargumentes wird darauf verwiesen, dass die Entwicklung eines Embryos zum geborenen Menschen so kontinuierlich verlaufe, dass man auf keine markanten Einschnitte verweisen könne, die eine Änderung des moralischen Status des menschlichen Embryos zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Entwicklung rechtfertigbar machten. Daher sei der moralische Status des frühen menschlichen Embryos nicht graduell zu bemessen. Ohne die Möglichkeit einer solchen Graduation aber müsse der moralische Status des Embryos zwangsläufig als dem von erwachsenen Personen äquivalent erachtet werden.
Das Identitätsargument hebt darauf ab, dass ein Lebewesen zu jedem Zeitpunkt seiner Entwicklung mit sich selbst prinzipiell identisch bleibe. Über die Zeit hinweg sei ein Mensch in seiner Identität nicht verschieden von dem Embryo, aus dem er sich entwickelt hat. Auch dieser Argumentationsansatz läuft darauf hinaus, dass dem menschlichen Embryo derselbe moralische Status bzw. Würdeanspruch zugeschrieben wird, wie weiter entwickelten Föten oder geborenen Menschen.
Das Potentialitätsargument lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass der moralische Status des Embryos an seinem Vermögen bemessen wird, sich zu einem menschlichen Subjekt zu entwickeln. Es wird darauf verwiesen, dass ungeborene oder auch bewusstlose Menschen, obwohl sie faktisch noch nicht, nicht aktuell oder nicht mehr über Bewusstsein verfügen oder gar autonom handeln können, dennoch als potentiell bewusste und autonome Subjekte gelten. Ihnen komme, so eine Variante dieses Argumentationsansatzes, daher Würde zu. Als potentielles Subjekt der berechtigten Zuschreibung von Würde sei entsprechend auch der Embryo in seiner potentiellen Entwicklungsfähigkeit zu schützen.
Gegen Argumente, die auf die Spezieszugehörigkeit, Kontinuität, Identität oder die Potentialität verweisen, wird vorgebracht, dass es durchaus ethisch angemessene Unterscheidungsmerkmale zwischen frühen Embryonen, Föten und geborenen Menschen gebe.
Identitäts- oder Kontinuitätsargumente werden in der Debatte vor allem unter Hinweis auf die verschiedenen Stufen der Embryonalentwicklung kritisiert. Argumente, die auf die Identität des Embryos und der sich aus ihm entwickelnden Person abheben, werden in diesem Sinne dahingehend kritisiert, dass die Identität des Embryos in einem frühen Entwicklungsstadium keineswegs so eindeutig bestimmbar sei, wie behauptet. Erst ab der Ausprägung des Primitivstreifens, und damit zu einem späteren als dem für die Forschung relevanten Zeitpunkt der Embryonalentwicklung, sei eine Mehrlingsbildung ausgeschlossen und damit auch die (numerische) Identität des Embryos gesichert. In dem für Forschungsvorhaben relevanten Entwicklungsstadium verfüge der Embryo zudem auch nicht über die neuronalen Voraussetzungen, Schmerzen zu empfinden, Bewusstsein oder Interessen zu haben – dergleichen Fähigkeiten seien jedoch für die Zuschreibung umfassender Schutzansprüche zentral. In diesem Kontext werden v. a. auch Argumente kritisiert, die einen umfassenden Schutzanspruch mit dem Hinweis darauf begründen, dass der menschliche Embryo der Spezies Mensch angehöre. Ohne Bezugnahme auf eine zu erwartende oder eine vormals bestehende Ausprägung typisch menschlicher Fähigkeiten seien Forderungen nach einem umfassenden Schutz menschlicher Embryonen, die allein auf dessen Zugehörigkeit zur menschlichen Spezies verweisen, nicht hinreichend begründet. Das Argument der Spezieszugehörigkeit gewinne seine Kraft erst aus der Tatsache, dass Angehörige der Spezies Mensch üblicherweise bestimmte Merkmale aufweisen. Deren Ausprägung werde aber im Falle von zu Forschungszwecken geklonten Embryonen von vorneherein ausgeschlossen.
Entsprechend legitimiere auch das Potentialitätsargument, das darauf abhebt, dass sich der Embryo in ein über Bewusstsein verfügendes Subjekt entwickeln kann, allenfalls umfassende Schutzansprüche für solche Embryonen, bei denen dieses Potential auch aktualisiert werde. Da Klonembryonen jedoch zu Forschungszwecken erzeugt und nicht in einen Uterus transferiert und ausgetragen würden, seien Potentialitätsargumente (mindestens) mit Blick auf Klonembryonen nicht stichhaltig. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang zudem darauf verwiesen, dass es sich bei dem durch Kerntransfer erzeugten Embryo nicht um einen Embryo im herkömmlichen Sinne handle. Dem durch Kerntransfer erzeugten Embryo komme im Zweifelsfall nicht dieselbe Schutzwürdigkeit zu, wie einem auf herkömmliche Weise, d. h. durch die Verschmelzung der Kerne zweier Keimzellen, erzeugten Embryo. Das Potentialitätsargument könnte zudem, so wird diskutiert, angesichts der durch aktuelle Forschungsergebnisse angeregten Infragestellung des Totipotenzbegriffs unter Druck geraten.
Neben diesen auf den moralischen Status des menschlichen Embryos rekurrierenden Argumenten spielen in der Debatte vor allem so genannte Dammbruchargumente eine wichtige Rolle.
Ein Dammbruch hin zum reproduktiven Klonen?
Ein wichtiger Einwand gegen die ethische Zulässigkeit des Forschungsklonens beruht auf dem Verweis auf die technischen Gemeinsamkeiten des therapeutischen und des reproduktiven Klonens. Es sei entsprechend, so die kritischen Stimmen, davon auszugehen, dass durch den Einsatz der Klonierungstechnik zu Forschungszwecken einem Missbrauch der Technik in Form ihres Einsatzes zu reproduktiven Zwecken die Tür geöffnet werde. Das Bild des brechenden Damms steht dabei für die Unaufhaltbarkeit bestimmter Entwicklungen bei bereits geringfügiger Öffnung bestehender Schutzwälle.
Die Reproduktion durch Klonierung wird sowohl von Befürwortenden als auch von gegnerischen Stimmen des Forschungsklonens gemeinhin abgelehnt. Dies ist auch in einer Reihe internationaler Abkommen festgehalten, wie etwa in der Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte der UNESCO vom 11. November 1997. Die Gründe für diese übergreifende Ablehnung des reproduktiven Klonens von Menschen reichen von Bedenken hinsichtlich der medizinischen Sicherheit des Verfahrens bis hin zu Verweisen auf den Anspruch eines jeden Menschen auf Individualität.
Gegen sogenannte Dammbruchargumente wird mit dem Verweis darauf argumentiert, dass das therapeutische Klonen hinreichend eindeutig von dem reproduktiven Klonen zu unterscheiden sei. Im Unterschied zum reproduktiven Klonen ziele das therapeutische Klonen nicht darauf, dass der klontechnisch erzeugte Embryo sich zu einem vollständigen Organismus entwickle. Er werde auch nicht in einen Uterus transferiert. Vielmehr werde er lediglich mit dem Ziel der Stammzellgewinnung erzeugt und seine Entwicklung im Moment der Stammzellgewinnung abgebrochen.
Hinsichtlich der rechtlichen Regulierung wurde infolgedessen immer wieder dafür plädiert, reproduktives Klonen und therapeutisches Klonen nicht gemeinsam zu normieren. Die internationale Gemeinschaft ist hierzu jedoch uneins. Dies lässt sich beispielsweise an der Erklärung zum Klonen von Menschen (Resolution 59/280) von 2005 der Vollversammlung der Vereinten Nationen festmachen. Die Erklärung enthält den Aufruf an alle UN-Mitgliedsstaaten, einem vollständigen Verbot des Klonens von Menschen zuzustimmen, einschließlich einem Verbot des Klonens zu medizinischen Zwecken, d. h. des Forschungs- bzw. therapeutischen Klonens. Gemäß der Erklärung ist jegliches Klonen von Menschen unvereinbar mit dem Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens. Das Ergebnis der Abstimmung über die Resolution spiegelt die tiefe Spaltung zwischen Befürwortenden und gegnerischen Stimmen der Erklärung. Befürwortende sahen in ihr einen Meilenstein für den Schutz der Menschenwürde und Menschenrechte. Gegnerische Stimmen bemängelten die Kopplung des Verbots des reproduktiven Klonens mit dem Verbot des Klonens für medizinische Zwecke. Damit sei eine wichtige Gelegenheit verpasst worden, ein rechtlich bindendes Übereinkommen zu einem weltweiten Verbot des reproduktiven Klonens zu verabschieden. Die Resolution ist nicht bindend und hat lediglich empfehlenden Charakter.
Einen anderen Weg bestreitet die am 7. Dezember 2000 proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Sie verbietet in Artikel 3 Abs. 2 das reproduktive Klonen. In den Erläuterungen des Konvents wird aber auch deutlich: „Die anderen Formen des Klonens werden von der Charta weder gestattet noch verboten. Sie hindert den Gesetzgeber also keineswegs daran, auch die anderen Formen des Klonens zu verbieten”. Die Charta nimmt somit gegenüber der Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen durch das therapeutische Klonen eine neutrale Position ein.
Auch jenseits der Frage zur Legitimität des Forschungsklonens stehen sogenannte Dammbruchargumente aus methodischer Hinsicht zum Teil in der Kritik. Als Gütekriterien für stichhaltige Dammbruchargumente (oder auch: Argumente der schiefen Ebene) wurde u. a. darauf verwiesen, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit des vermeintlichen „Dammbruchs“ empirisch nachgewiesen werden können muss und entsprechend hoch sein muss. Dieser Beweislast zu entsprechen kann sich dabei als herausfordernd darstellen.
Eine unzulässige Belastung durch die Eizellentnahme?
Ein weiterer Einwand gegen das Forschungsklonen besteht in dem Hinweis darauf, dass die Entwicklung, und ggf. auch der Einsatz der Technik in der medizinischen Praxis, die Verfügbarkeit einer beträchtlichen Anzahl an Eizellen erfordert. Die Nutzung menschlicher Eizellen nach Eizellentnahme wird als ethisch problematisch erachtet, weil einerseits die hierzu erforderliche hormonelle Stimulation und die Punktion mit Risiken und nicht unerheblichen Unannehmlichkeiten verbunden sind, während andererseits befürchtet wird, dass eizellspendefähige Personen unter Druck geraten könnten, ihre Eizellen zu fremdnützigen Zwecken zu spenden.
Dem Einwand, dass die Notwendigkeit von Eizellspenden einen nicht unerheblichen Druck auf potenzielle Spendende zur Folge haben könne, wird in der Diskussion vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Einzelne Autor*innen verweisen darauf, dass die Spendepraxis in anderen medizinischen Bereichen keine entsprechenden Effekte gezeigt habe, so dass bei entsprechenden Vorkehrungen in der Praxis auch im Bereich der Eizellspende nicht von einem inakzeptablen Druck auf spendefähige Personen auszugehen sei.
Um die mit der Verwendung menschlicher Eizellen verbundenen Probleme zu umgehen, wird auch nach alternativen Eizellquellen im Tierreich gesucht. Ziel der Versuche ist es unter anderem festzustellen, ob es möglich ist, tierische statt menschlicher Eizellen und Embryonen für die Kultivierung und Differenzierung von Stammzellen zu verwenden. Neuere Studien zielen nicht mehr auf die Verwendung tierischer Eizellen ab, sondern auf das Gewinnen menschlichen Gewebes, bestenfalls ganzer Organe aus tierischen Embryonen, in denen sich menschliche Stammzellen in vivo weiterentwickeln sollen.
Versuche an Embryonen mit Zellen tierischen und menschlichen Ursprungs werden seitdem fortgeführt und vielfach kritisiert. So wird etwa als ethisch problematisch erachtet, dass auf diese Weise ein erster Schritt in Richtung der Bildung von Chimären bzw. Mensch-Tier-Hybriden gemacht werde, der neben Bedenken hinsichtlich der medizinischen Sicherheit für den Fall einer Anwendung in der medizinischen Praxis auch Bedenken hinsichtlich der strikten Aufrechterhaltung der Speziesgrenzen auslöst. Ethische Fragen werfen diese Versuche mit Mensch-Tier-Hybriden und -Chimären etwa mit Blick auf das oben dargestellte Speziesargument (Wären Mensch-Tier-Hybride der Gattung ‚Mensch‘ zuzuordnen?) oder auch bezüglich Moraltheorien auf, die Schutz- oder Würdeansprüche an die Ausprägung spezifischer menschlicher Eigenschaften anlehnen. Mensch-Tier-Chimären könnten einzelne dieser spezifischen Eigenschaften wie etwa physische Merkmale oder Bewusstseinsmerkmale ausprägen und damit die Frage nach ihrem moralischen Status aufwerfen.
Bestehen ethisch weniger kontroverse Alternativen?
In eine umfassende Abwägung, ob die Mittel des Forschungsklonens legitim sind, gehört weiterhin eine Betrachtung möglicher Alternativen. Wenn nämlich für dieselben hochwertigen Anwendungsziele alternative Möglichkeiten und Mittel bestehen, die ethisch weniger umstritten sind, dann wären diese vorzuziehen.
Forschung an „überzähligen“ Embryonen
Zuallererst wäre hier auf die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus menschlichen Embryonen zu verweisen, die nicht mittels Kerntransfer erzeugt wurden, sondern im Rahmen einer abgeschlossenen reproduktionsmedizinischen Infertilitätsbehandlung ‚übrig‘ waren und an Forschungsvorhaben weitergegeben wurden. Aus ethischer Sicht wäre hier etwa ein Ausweg aus der möglichen Gefahr eines Dammbruchs hin zum reproduktiven Klonen zu sehen. Allerdings bliebe die Kontroverse um die ethische Zulässigkeit der Zerstörung menschlicher Embryonen weiterhin bestehen. Ergänzend sind aus medizinischer Sicht nicht-homologe, d. h. embryonale Stammzellen, die nicht dieselbe DNA haben wie die Zellen der Patient*innen, die behandelt werden sollen, mit Nachteilen insbesondere bezüglich der Verträglichkeit und etwaiger Immunreaktionen behaftet. Schließlich ist mit Blick auf die gesetzliche Regulierung in Deutschland die Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen insgesamt restriktiv reguliert, sodass diese Alternative nur zum Teil offensteht.
Forschung an adulten Stammzellen
Weiterhin wird debattiert, ob die für die Entwicklung immunverträglicher Transplantate erforderliche Stammzellforschung notwendig an die Erzeugung menschlicher Embryonen durch Kerntransfer gebunden ist oder ob z. B. Stammzellen aus Nabelschnurblut oder andere nicht-embryonale Stammzellen Alternativen bieten. In diesem Kontext wird gelegentlich auch eine verstärkte vorgängige Absicherung der therapeutischen Wirksamkeit des Verfahrens im Tiermodell gefordert.
Forschung an iPS-Zellen
Seit einigen Jahren ist ein Verfahren bekannt, mit dem erfolgreich menschliche somatische Zellen so reprogrammiert werden können, dass sie signifikante Eigenschaften von embryonalen Stammzellen aufweisen. Derartige Zellen werden induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) genannt. Da auch die iPS-Zellen genetisch identisch mit den Zellen der spendenden Person sind, erhofft man sich von dieser Technik eine in ethischer und rechtlicher Hinsicht weniger problematische Alternative zum therapeutischen Klonen. Allerdings ist das Verfahren zurzeit noch mit Risiken verbunden, die vor einem Einsatz im Rahmen therapeutischer Verfahren behoben werden müssen.
Auch hat sich gezeigt, dass zwischen iPS-Zellen und pluripotenten ES-Zellen bei therapeutischen Anwendungen doch größere Unterschiede bestehen als zunächst angenommen. Schließlich ist ebenfalls umstritten, ob sich iPS-Zellen unter den Bedingungen der Zellkultur auch in pluripotente Zellen umwandeln können. Der gelungene Nachweis der Pluripotenz von iPS-Zellen einer Maus mithilfe des Verfahrens der sogenannten Tetraploiden Embryonen-Komplementierung gibt in diesem Kontext Anlass zur Diskussion. Wenn nämlich iPS-Zellen auf diese Weise Pluripotenz erlangen könnten, wäre es ggf. naheliegend, sie wie Embryonen als möglicherweise stärker schutzwürdig zu fassen. Somit wäre fraglich, ob das Verfahren der Zell-Reprogrammierung hinsichtlich seiner ethischen Bewertung stärker in die Nähe der Forschung an künstlich erzeugten Embryonen zu rücken ist. Weitere Details hierzu finden sich im Blickpunkt Stammzellforschung.