Bewertung gruppennütziger Forschung durch Vorsitzende deutscher Ethikkommissionen
Im Jahre 2004 hat die Zentrale Ethikkommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten bei der Bundesärztekammer (ZEKO) eine Stellungnahme zur Forschung mit Minderjährigen veröffentlicht. Als Voraussetzungen für die Vertretbarkeit gruppennütziger Forschung mit Minderjährigen nennt die ZEKO die Ermittlung und Bewertung des möglichen Nutzens sowie möglicher Risiken und Belastungen, das Fehlen einer alternativen Forschungsmethode (§ 4.3) und die Zustimmung der Eltern (§ 4.4). Forschungsprojekte dürften, so die ZEKO weiter, nur dann durchgeführt werden, wenn das Verhältnis von Nutzen und Risiken angemessen sei und die Risiken und Belastungen (im Regelfall) nur minimal seien (§§ 4.5, 4.6). Zur Minimierung psychischer Risiken und Belastungen empfiehlt die ZEKO die Beteiligung unabhängiger Personen, die im Umgang mit Minderjährigen erfahren sind, das Vertrauen der*des Minderjährigen besitzen und deren*dessen Interessen wahrnehmen (§ 4.7). Ferner fordert die ZEKO, dass Minderjährige ihrem Verständnis gemäß in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden (§ 4.8). Schließlich sollen nach Abschluss eines Projekts die Teilnehmenden und Erziehungsberechtigten in geeigneter Form über die Ergebnisse informiert werden (§ 4.9).
In der konkreten Anwendung zeigt sich bei der Arbeit der Ethikkommissionen ein etwas anderes Bild.
Katrin Radenbach hat im Jahr 2006 eine Untersuchung zum Thema "Gruppennützige Forschung an Kindern und Jugendlichen" vorgelegt. Darin kommt sie zu dem Ergebnis, dass gruppennützige Forschung an Kindern und Jugendlichen mit mehr als minimalem Risiko und minimalen Belastungen von Vorsitzenden deutscher Ethikkommissionen sehr unterschiedlich bewertet wird. Die Studie ergab, dass für einen Teil der Vorsitzenden der deutschen Ethikkommissionen minimales Risiko und minimale Belastung keine entscheidenden Bedingungen für die Zulässigkeit von gruppennütziger Forschung an Minderjährigen darstellten. Meist wurde die Befürwortung eines Studienprojektes in einem solchen Fall aber an die positive Einstellung der*des Minderjährigen zu ihrer*seiner Studienteilnahme geknüpft. Der Willensäußerung von Klein- und Vorschulkindern wurde allerdings weniger Bedeutung zugemessen als der von älteren Kindern. Für diese ihrer Meinung nach problematische Situation macht die Autorin eine unklare Gesetzeslage verantwortlich und fordert eine Präzisierung und Konkretisierung der Begriffe Risiko und Belastung in den einschlägigen deutschen Gesetzen.
Braun, K. (2013): Bioethik, Öffentlichkeit, Politik. Bundeszentrale für Politische Bildung, Dossier Bioethik. Online Version
Radenbach, K. (2006): Gruppennützige Forschung an Kindern und Jugendlichen. Online Version
Zentrale Ethikkommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten bei der Bundesärztekammer (ZEKO) (2004): Forschung mit Minderjährigen. In: Deutsches Ärzteblatt 101(22), A1613-1617. Online Version