Enhancement

I. Einführung

„Enhancement“ kann im Deutschen je nach Kontext durch „Verbesserung“, „Steigerung“, „Verstärkung“ oder auch „Erhöhung“ wiedergeben werden. In der bioethischen Debatte um Enhancement geht es im weitesten Sinne um die Frage, wie der Einsatz von Mitteln zur Verbesserung unterschiedlicher menschlicher Eigenschaften und Fähigkeiten ethisch zu beurteilen ist. Ob eine Maßnahme unter Enhancement fällt, hängt von der jeweils zugrunde gelegten Definition des Enhancement-Begriffs ab.

Die Definitionen unterscheiden sich in ihren grundlegenden Annahmen. Eine Gemeinsamkeit besteht jedoch darin, dass biotechnologische Mittel für das Enhancement verwendet werden. Ist bei der Beschäftigung mit dem Enhancement-Begriff dagegen die allgemeinere Fragestellung leitend, in welchen normativen Grenzen sich menschliches Optimierungsstreben überhaupt abspielen sollte, dann gibt es keinen Grund, die Betrachtung auf medizinisch-technische Verbesserungsstrategien zu beschränken. Diesem Verständnis zufolge lassen sich auch Bildungs- und Trainingsprogramme, Meditationsübungen, die Einhaltung günstiger Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten oder auch die Einnahme von Genussmitteln wie Kaffee, Tee oder Alkohol (sogenannte lifestyle drugs) als Enhancement auffassen.

Einer verbreiteten Definition zufolge wird Enhancement in Abgrenzung zu medizinischen bzw. therapeutischen Maßnahmen gefasst, wobei eine scharfe Grenzziehung nicht immer möglich ist. Diesem Verständnis zufolge dient die Medizin der Prävention, Diagnose, Therapie und Palliation von Krankheiten, also der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit sowie der lindernden Behandlung unheilbarer Erkrankungen, wohingegen Enhancement auf die Verbesserung und Steigerung menschlicher Eigenschaften und Fähigkeiten abzielt. Allerdings fallen Enhancement-Maßnahmen nicht schon deshalb aus dem klassischen Aufgabenbereich der Medizin heraus, weil es sich bei ihnen um nicht-therapeutische Verbesserungen gesunder Menschen handelt. Auch typische Präventivmaßnahmen wie Impfungen richten sich an gesunde Menschen und versuchen diese zu verbessern, indem die Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten gemindert wird. Der Bereich des Enhancements lässt sich jedoch von den fraglos zur Medizin gehörenden Bereichen der Prävention und Therapie unter Hinweis darauf abgrenzen, dass letztere im Gegensatz zum ersten einen Krankheitsbezug aufweisen.

Therapeutische, präventive oder Enhancement-Interventionen werfen ethische Fragen auf. Die normative Relevanz besteht bereits bei der Unterscheidung zwischen therapeutischen und präventiven Interventionen auf der einen und Enhancement-Maßnahmen auf der anderen Seite. Diese wird üblicherweise damit begründet, dass Gesundheit im Sinn der Abwesenheit von körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen ein fundamentales Gut sei, an dem Individuum und Gesellschaft gleichermaßen Interesse haben. Im Falle des Enhancements ist aber zu diskutieren, welche Arten von Verbesserungen, die über therapeutische Zwecke hinausgehen, nicht auch von gesellschaftlichem Interesse sein könnten. Kritik an der Unterscheidung zwischen medizinischen Interventionen einerseits und Enhancement-Maßnahmen andererseits verweist darauf, dass diese ebenso unscharf sei wie der Krankheitsbegriff selbst. Tatsächlich gibt es in der Medizin bis heute keine allgemein anerkannte Auffassung dazu, wie sich pathologische von gesunden Zuständen abgrenzen lassen. Innerhalb der Enhancement-Debatte werden verschiedene Strategien zur Bewältigung der theoretischen Herausforderung verfolgt, die sich aus der Kontroverse um den Krankheitsbegriff ergibt.

Eine weitere Einteilung von Enhancement-Maßnahmen lässt sich hinsichtlich der Eigenschaften oder Funktionen vornehmen, auf deren Verbesserung sie abzielen. Hinsichtlich der Zielfunktionen können die folgenden vier wichtigen Bereiche des Enhancements unterschieden werden:

  1. Enhancement der physischen Leistungsfähigkeit (Doping im Breiten- und Leistungssport),
  2. Enhancement des äußeren Erscheinungsbilds (Ästhetische Medizin)
  3. Enhancement kognitiver Fähigkeiten oder emotionaler Zustände (Neuroenhancement)
  4. Enhancement mittels genetischer Methoden (Genetisches Enhancement)

Während die Verbesserungen kognitiver Eigenschaften (3.) in populären Medien gerne als „Gehirn-Doping“ angesprochen werden, hat sich in der bioethischen Fachdebatte zu ihrer Bezeichnung der Begriff „Neuroenhancement“ durchgesetzt. Enhancement mittels gentechnischer Methoden (4.) kann theoretisch auf die drei erstgenannten Funktionen abzielen. Sollte das menschliche Genom eines Tages komplett verstanden und ein möglichst sicherer Schluss von einem Genotyp auf einen Phänotyp möglich sein, könnten sowohl äußere Merkmale als auch Tendenzen für psychische Eigenschaften durch genetische Eingriffe verändert bzw. bestimmt werden.

Nicht alle Zielsetzungen des Enhancements lassen sich befriedigend mit den vier genannten Kategorien erfassen. Einen Sonderbereich bilden beispielsweise Bemühungen, das menschliche Altern zu verlangsamen oder ganz aufzuhalten. Anti-Aging-Maßnahmen betreffen Zielfunktionen aus allen oben erwähnten Bereichen, weil es nicht nur darum geht, gesund älter zu werden, sondern dabei möglichst auch noch länger gut auszusehen und geistig fit zu bleiben. Ein anderer Sonderfall ist der des moralischen Enhancements, womit Versuche gemeint sind, das moralische Verhalten der Menschen zu verbessern.

II. Ethische Aspekte

Ethische Erwägungen zur Bewertung der Bereiche und Methoden des Enhancements beginnen oft bei den damit verbundenen, aber teils noch ungeklärten Fragen gesundheitlicher Risiken und Nebenwirkungen. Weitergehende ethische Überlegungen basieren jedoch häufig auf der Annahme, dass die Umstände, unter denen eine Person sich für Enhancement entscheidet, gewissen idealen Bedingungen unterliegen: Wirksamkeit und erwiesene Sicherheit des Eingriffs sowie absolute Freiwilligkeit. Nachfolgend wird auf die am häufigsten diskutierten ethischen Debatten Bezug genommen. Zunächst werden allgemeine Abgrenzungsfragen von Natürlichkeit und Unnatürlichkeit behandelt (1.). Anschließend wird auf Fragen nach der Sicherheit von Enhancement eingegangen und von Krankheit unterschieden, insbesondere in Bezug auf Herausforderungen des ärztlichen Ethos (2.). Danach wird sowohl die Möglichkeit der Bedrohung von Gerechtigkeit (3.) als auch von personaler Identität und Persönlichkeit besprochen (4.), die schließlich auch Fragen bezüglich der Autonomie und Authentizität betreffen (5.).

1. Enhancement wider die Natur?

Insbesondere futuristische Enhancement-Szenarien, die z. B. die Optimierung von Leistungen durch genetische Eingriffe wie die Einführung tierischer Gene in das menschliche Erbgut oder den Erwerb ganz neuer Fähigkeiten durch die Kopplung des menschlichen Körpers mit technischen Systemen beinhalten, stoßen nicht selten auf den Vorbehalt, die betreffenden Eingriffe seien unnatürlich oder verstießen jedenfalls gegen die menschliche Natur. Natürlichkeits-Argumente gegen Enhancement im Allgemeinen oder gegen bestimmte Formen sind mit zwei bedeutenden Schwierigkeiten behaftet: Zum einen gibt es keinen Konsens in der Frage, wie die menschliche Natur oder die Natur als solche begrifflich genauer zu bestimmen sind. Zum anderen stellt sich die Frage, aus welchen Gründen der Mensch die Natur als Richtschnur oder Schranke seines Handelns anerkennen sollte.

Ein gängiger Naturbegriff wird über den Gegenbegriff der Kultur bestimmt: Während Kultur dasjenige meint, was vom Menschen geschaffen oder „künstlich“ durch ihn verändert wurde, steht Natur diesem Verständnis zufolge für alles unabhängig vom Menschen Existierende oder durch ihn Unbeeinflusste. Auf dieser Grundlage lassen sich an verschiedensten Phänomenen natürliche von künstlichen bzw. kulturbezogenen Aspekten unterscheiden. Aus ethischer Sicht bietet die Gegenüberstellung von Natur und Kultur allein aber keine plausible Begründung dafür, Natur als etwas grundsätzlich Bewahrenswertes aufzufassen. Vielmehr scheint der Mensch in einem prinzipiellen Spannungsverhältnis zur Natur zu stehen, kann er doch nur dadurch überleben, dass er in die Natur eingreift. Weder sind Kulturprodukte wie Bachkantaten oder mathematische Beweise „an sich“ negativ, noch sind Naturphänomene stets positiv zu bewerten, wie etwa Vulkanausbrüche oder Seuchen zeigen. Folglich müssen auch Enhancement-Maßnahmen vor dem Hintergrund dieser Bestimmung des Naturbegriffs nicht schon deshalb als problematisch gelten, weil sie in einem solch verstandenen Sinne unnatürlich sind.

In einem zweiten verbreiteten Sinn steht die Natur einer Sache für ihr „Wesen“. Diese Lesart ist einschlägig, wenn Enhancement als mit der menschlichen Natur unvereinbar betrachtet wird. Allerdings scheint sie kaum dazu geeignet, einen Generalverdacht gegenüber menschlichen Verbesserungsbestrebungen zu rechtfertigen, denn die meisten Positionen der philosophischen Anthropologie stimmen darin überein, dass es ein wichtiger Wesenszug des Menschen sei, sich nicht mit seiner mangelhaften natürlichen Ausstattung zufriedenzugeben, sondern diese durch technische und andere kulturelle Errungenschaften zu ergänzen bzw. zu vervollkommnen. Trotzdem scheint der Einwand gerechtfertigt, dass einzelne Techniken oder Ziele des Enhancements der menschlichen Natur zuwiderlaufen. Beispielsweise verweisen von den vielen Bioethiker*innen, die Eingriffe in die menschliche Keimbahn für grundsätzlich inakzeptabel halten, einige darauf, dass hierdurch die Natur des Menschen im Sinne seines Genpools dauerhaft verändert werde. Dagegen spricht allerdings, dass selbst bei dem Versuch, die menschliche Natur durch den Genbestand der biologischen Art Homo sapiens zu explizieren, die natürliche Veränderung der genetischen Ausstattung durch Evolution berücksichtigt werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es nicht besonders plausibel, künstliche Eingriffe in das menschliche Genom grundsätzlich als ethisch fragwürdig zu betrachten. Fordert man dagegen lediglich, dass nur solche genetischen Manipulationen unterbleiben sollten, mit denen Individuen geschaffen werden, die im Sinne des biologischen Artbegriffs nicht mehr als Angehörige der Spezies Homo sapiens gelten könnten, würde diese Einschränkung nur extreme Formen genetischen Enhancements betreffen.

Ein weiteres Problem von Natürlichkeits-Argumenten liegt darin, dass sie die betreffenden Verfahren als solche und nicht nur ihre Anwendungen zu Zwecken des Enhancements diskreditieren. Dies kann Menschen verunsichern oder sogar ihrer Diskriminierung Vorschub leisten, die aus den betreffenden Verfahren einen therapeutischen Nutzen ziehen. Wird es beispielsweise für inakzeptabel gehalten, Menschen durch die Entwicklung geeigneter Schnittstellen zwischen Gehirnen und Maschinen die Möglichkeit zu geben, technische Systeme per Gedankenkraft zu kontrollieren, so beträfe dies nicht nur Cyborgs mit übermenschlichen Fähigkeiten, sondern auch Menschen, die mithilfe solcher Schnittstellen eventuelle Behinderungen kompensieren könnten.

Auch wenn man es aus den genannten begrifflichen und normativen Gründen nicht für überzeugend hält, Enhancement-Verfahren wegen ihrer so verstandenen Widernatürlichkeit oder Künstlichkeit kategorisch abzulehnen, kann man doch in einem schwachen Sinn auf den Naturbegriff Bezug nehmen. So argumentieren manche Bioethiker*innen gemäß dem Slogan „nature knows best“, dass immer dann, wenn natürliche Grenzen überschritten werden, besondere Vorsicht geboten sei.

2. Enhancement als Herausforderung des ärztlichen Ethos und mögliches Suchtpotenzial

Wird die Medizin in traditioneller Weise als Heilkunde aufgefasst, so lässt sich bereits dem Wortsinn entnehmen, dass ärztliche Fachpersonen zur Wiederherstellung der Gesundheit antreten, also vorwiegend im Krankheitsfall tätig werden. Neben dieser Auffassung hat sich in jüngerer Zeit ein „positives“, d. h. nicht defizitorientiertes Verständnis der Medizin als einer Wissenschaft etabliert, die sich mit den Bedingungen von Gesundheit und den Möglichkeiten zu ihrer Förderung, Bewahrung und Wiederherstellung befasst. Diese Umdeutung bleibt vage, wenn Gesundheit ihrerseits nur negativ als Abwesenheit von Krankheit verstanden wird. Es gibt jedoch eine Reihe von Versuchen, dem Begriff der Gesundheit einen positiven Gehalt zu geben. Besonders prominent, wenn auch wegen ihres hochgesteckten Anspruchs nicht unumstritten, ist die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche Gesundheit in ihrer Verfassung aus dem Jahr 1948 folgendermaßen bestimmt: „ein Zustand vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, der sich nicht nur durch die Abwesenheit von Krankheit oder Behinderung auszeichnet“. Würde sich unter ärztlichen Fachkräften diese Auffassung von Gesundheit mit der sich daraus ergebenden Bestimmung des Aufgabenbereichs der Medizin durchsetzen, so müssten ihnen Enhancement-Maßnahmen nicht länger als „fachfremd“ erscheinen, jedenfalls sofern diese einen Beitrag zur Förderung des Wohlbefindens leisten.

Ärztliche Fachpersonen erleben Enhancement-Maßnahmen jedoch nicht nur deshalb als Herausforderung ihres professionellen Selbstverständnisses, weil diese eine traditionell krankheitsbezogene Auffassung von Medizin in Frage stellen: Eine weitere Befürchtung besteht darin, dass die zunehmende Bedeutung solcher Maßnahmen innerhalb des ärztlichen Dienstleistungsspektrums der bereits heute von vielen als problematisch wahrgenommenen Tendenz zur Kommerzialisierung der Medizin weiteren Vorschub leisten könnte. Ärztliche Fachkräfte sorgen sich darum, ähnlich wie gegenwärtig bereits ästhetische Chirurg*innen oder in Doping involviertes sportmedizinisches Personal, in den Verdacht zu geraten, mehr am eigenen Profit als am Wohl der von ihnen zu behandelnden Personen interessiert zu sein. Dies könnte die Vertrauensbasis des medizinischen Behandlungsverhältnisses beeinträchtigen.

Schwierigkeiten bereiten die Abgrenzung von Krankheit und Enhancement sowie die Verschreibung von anfänglich für die therapeutische Nutzung indizierten Medikamente im Sinne eines Enhancements für gesunde Menschen. Dies ist nicht nur insbesondere hinsichtlich einer potenziellen Medikamentenabhängigkeit problematisch, sondern auch in Hinblick darauf, dass es keine Langzeitstudien zur Nutzung von Medikamenten im sogenannten „off-label Gebrauch“ gibt, dem Gebrauch abseits ursprünglicher Zwecke und Zulassung. Dies gibt Anlass zur Befürchtung, dass die Verbreitung von Arzneimittelabhängigkeiten erheblich zunehmen könnte, wenn immer mehr Menschen ganz ohne medizinischen Grund pharmazeutische Präparate zur Optimierung bestimmter Eigenschaften einnehmen würden.

Pharmazeutische Präparate, die regelmäßig zu Abhängigkeiten führen, können in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt werden. Da das Persönlichkeitsrecht ein Recht auf Selbstgefährdung einschließt, geht es bei der Einstufung von Substanzen als Betäubungsmittel nicht in erster Linie darum, Konsumierende vor Abhängigkeiten zu bewahren. Zur Rechtfertigung einer gesetzlichen Kontrolle des Umgangs mit bestimmten Stoffen wird vielmehr auf sozial schädliche Konsequenzen von Suchterkrankungen verwiesen, die im Fall gängiger illegaler Drogen etwa in der Form von Beschaffungskriminalität, Arbeitsunfähigkeit oder auch als gesundheitliche Folgeschäden auftreten. Ob sich in der Folge der dauerhaften und regelmäßigen Einnahme von pharmazeutischen Präparaten zu Zwecken des Enhancements vergleichbare Nachteile für die Allgemeinheit ergeben, ist eine offene Frage. Aufgrund fehlender Langzeitstudien, deren Beantragung und Durchführung wegen des Grundsatzes der Nichtschädigung anderer eigens hochproblematisch ist, ist allerdings nicht abzusehen, inwiefern auch diese Nutzung gesundheitsschädliche Folgen haben könnte.

3. Enhancement als Bedrohung der Gerechtigkeit

Eine Bedrohung der Gerechtigkeit durch Enhancement kann nicht nur in Hinblick auf die Frage nach der Zumutbarkeit der Präparate und Methoden gegeben sein, sondern auch in Bezug auf Fragen nach der sozialen Verteilungsgerechtigkeit und dem damit verbundenen sozialen Druck.

Es kann demnach in unterschiedlichen Hinsichten für ungerecht gehalten werden, wenn sich Personen durch die Nutzung von Enhancement-Maßnahmen Vorteile gegenüber anderen verschaffen. Beispielsweise ist die Gewährleistung gerechter Wettbewerbsbedingungen das zentrale Anliegen des Kampfs gegen Doping im Leistungssport. Allein die Befürchtung, nicht mehr konkurrenzfähig zu sein, weil andere Wettkampfteilnehmende womöglich auf verbotene leistungssteigernde Mittel zurückgreifen, kann ein starkes Motiv für die Nutzung von Enhancement-Verfahren sein. Wohlgemerkt stehen Athlet*innen unter einem ähnlichen Druck, wenn sie darum wissen, dass Konkurrierende zulässige Trainingsmöglichkeiten, Materialien oder Geräte nutzen, die ihnen selbst nicht zur Verfügung stehen (z. B. Höhentraining). Analog zum Fall des Dopings ist es auch bedenklich, wenn Schüler*innen oder Studierende mithilfe von illegal beschafften verschreibungspflichtigen Präparaten ihre Prüfungsleistungen zu verbessern suchen, selbst wenn deren Einnahme in den betreffenden Prüfungsordnungen nicht explizit verboten wird. Der Grund für die Bedenklichkeit ist, dass den anderen Prüfungsablegenden eindeutig nicht zugemutet werden kann, sich zur Wahrung der Chancengleichheit gegenüber den kognitiv enhancten Prüfungsablegenden ebenfalls auf rechtswidrigem Wege in den Besitz von Neuroenhancement-Präparaten (NEP) mit ungewisser Wirksamkeit und teils erheblichen Nebenwirkungen zu bringen. Die damit verbundene Frage der Zumutbarkeit von Enhancement-Eingriffen oder der Einnahme von NEPs müsste neu beurteilt werden, wenn einzelne von ihnen als so sicher zu bewerten wären, dass sie zur Anwendung bei gesunden Heranwachsenden oder jungen Erwachsenen zugelassen werden würden. Doch auch wenn es erlaubt wäre, NEPs ohne therapeutischen Grund einzunehmen, stünde deren Nutzung voraussichtlich nicht allen offen, weil sie sich wahrscheinlich nicht alle leisten könnten. Daher kann auch in einem Szenario mit einem legal verfügbaren nebenwirkungsarmen NEP noch gefragt werden, ob es ungerecht ist, wenn wohlhabende Einzelpersonen oder Personengruppen gegenüber weniger privilegierten durch die Einnahme von kostspieligen Psychopharmaka weitere Wettbewerbsvorteile gewinnen.

Bezüglich der Frage, welche Art und welches Ausmaß an sozialem Druck als akzeptabel angesehen wird, ist festzuhalten, dass ihre Beantwortung für verschiedene gesellschaftliche Wettbewerbsbereiche höchst unterschiedlich ausfällt. Faktisch herrscht überall dort, wo sehr spezielle Fähigkeiten und Eigenschaften den Ausschlag über die Eignung für begehrte gesellschaftliche Positionen geben, ein extrem hoher Konkurrenzdruck. Wer beispielsweise eine TV-Karriere anstrebt, sieht sich mit hohen Erwartungen an sein äußeres Erscheinungsbild konfrontiert. Einige erachten es als zumutbar, dass sich Bewerbende in diesem Bereich durch erheblichen Aufwand an Zeit und Kosten für kosmetische Maßnahmen und Körpertraining konkurrenzfähig halten. Vor allem wegen der mit solchen Eingriffen verbundenen gesundheitlichen Risiken erscheint es problematisch, wenn Bewerbende ihr Aussehen zusätzlich mit Maßnahmen der ästhetischen Chirurgie optimieren. Auch wenn die Nutzung solcher Mittel legal ist, ist es aus ethischer Sicht fragwürdig, wenn in der Folge andere unter Druck geraten, ihre Gesundheit ebenfalls durch deren Anwendung potenziell zu gefährden. Für die Bewertung dieser und anderer Konkurrenzsituationen spielt es auch eine Rolle, auf welcher Ebene der Druck zur Nutzung solcher Maßnahmen entsteht: auf individueller, gesellschaftlicher, oder staatlicher Ebene.

Die Vertretenden einer liberalen Haltung gegenüber der Anwendung von Enhancement-Maßnahmen beantworten Gerechtigkeitsfragen in Bezug auf die Zumutbarkeit von Eingriffen und die Einnahme von Enhancement-Präparaten gerne unter Hinweis darauf, dass es in unserer Gesellschaft auch akzeptiert wird, wenn Eltern ihren Kindern Nachhilfestunden finanzieren oder fernsehmoderierende Personen ihr Erscheinungsbild durch privat bezahlte ästhetische chirurgische Eingriffe verändern. Auf dieses Argument könnte wiederum geantwortet werden, dass mögliche zukünftige ungerechte Verhältnisse nicht durch den Hinweis auf gegenwärtig faktisch akzeptierte Missstände gerechtfertigt werden sollten.

Bedenken bezüglich einer möglichen Verschärfung bereits vorhandener sozialer Ungleichheiten durch die verbreitete Anwendung von Enhancement-Maßnahmen treten vorwiegend dann auf, wenn nicht jeder Mensch Zugang zu diesen Maßnahmen hat. Demnach könnte der Staat ihnen begegnen, indem er freien Zugang zu bestimmten Enhancements garantieren würde. Befürwortende des pharmazeutischen Neuroenhancements argumentieren beispielsweise, dass zukünftig insbesondere die Subventionierung wirksamer und sicherer NEPs im öffentlichen Interesse liegen könnte, weil verbesserte kognitive Fähigkeiten Menschen in vielen Stellungen dabei helfen würden, ihren Dienst an der Gesellschaft in effizienterer Weise zu verrichten. Daraufhin wird zuweilen erwidert, dass es Verschwendung wäre, knappe öffentliche Mittel in die Optimierung der geistigen Fähigkeiten von Gesunden zu investieren, solange die optimale Versorgung kranker Menschen nicht gewährleistet wäre.

Ob die verbreitete Anwendung eines bestimmten Enhancement-Verfahrens unfaire soziale Verhältnisse begünstigen würde, lässt sich angesichts der vielen Faktoren, die auf die Entwicklung solcher Verhältnisse Einfluss nehmen, kaum mit Bestimmtheit vorhersagen. Es gibt aber bereits konkrete Verbotslisten, die eine ungerechte Verwendung von Enhancement-Präparaten stark einschränken. Fairness spielt insbesondere in Sportwettbewerben eine zentrale Rolle, sodass es nicht verwunderlich ist, dass die Aufnahme eines Mittels in die Verbotslisten der Anti-Doping-Organisationen bereits dann legitim ist, wenn dessen Nutzung möglicherweise zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Schwieriger zu rechtfertigen wären solche präventiven Verbote gegenüber potenziellen Enhancement-Verfahren in anderen gesellschaftlichen Bereichen, die nicht so konsequent an egalitaristischen Idealen ausgerichtet sind. Immerhin bedeutet jedes Verbot eine Einschränkung individueller Freiheitsspielräume, was im geschützten Wettbewerbsbereich des Sports leichter zu legitimieren ist als in alltäglichen Konkurrenzsituationen. Die potenziellen ungerechten Konsequenzen neuer Enhancement-Verfahren sind nicht nur ungewiss, sondern müssen auch gegen mögliche individuelle und soziale Nutzeneffekte abgewogen werden. Aus diesen Gründen rechtfertigen Gesichtspunkte der Fairness nach Ansicht vieler Bioethiker*innen eher eine Politik der staatlichen Aufsicht und Kontrolle bezüglich der Entwicklung und Anwendung solcher Verfahren als Verbote.

Die Frage, ob Enhancement-Maßnahmen nicht sogar vorausgesetzt werden sollten, um bestimmte gesellschaftliche Stellungen bekleiden zu können, hängt auch von den verfügbaren Alternativen ab. Ein Beispiel wäre ein nebenwirkungsarmes Neuroenhancement-Präparat, durch das sich die Fehleranfälligkeit von Chirurg*innen oder Fluglots*innen signifikant reduzieren ließe. Auch in anderen Bereichen könnte Enhancement durchaus zu einer Kostenersparnis und somit zu einer Entlastung des Gesundheitssystems führen. Wenn durch genetisches Enhancement die Ausprägung unerwünschter Eigenschaften wie Aggressivität verringert oder die psychische Stabilität gestärkt werden könnte, dann könnte dadurch eventuellen Folgekosten vorgebeugt werden. In Bezug auf die Frage nach der Akzeptabilität sozialen Drucks stünden Fluglots*innen oder Chirurg*innen, die sich der gesellschaftlichen Erwartung nicht beugen möchten, ihre Fehlerquote durch den Einsatz eines zugelassenen NEPs zu minimieren, aber auch genügend andere befriedigende Betätigungsfelder zur Verfügung. Eine sehr problematische Entwicklung wäre dagegen denkbar, wenn die Einnahme potenter NEPs über spezielle Berufe hinaus in breiten Bevölkerungsschichten üblich werden würde. In der Folge könnten die Anforderungen an bestimmte kognitive Fähigkeiten so dramatisch steigen, dass nicht-enhancten Personen nur noch die anspruchslosen gesellschaftlichen Aufgaben anvertraut würden. Der mögliche soziale Nutzen, der sich aus einer Erhöhung der durchschnittlichen geistigen Leistungsfähigkeit der Bevölkerung ergeben mag, wäre dann gegen das Risiko der Herausbildung einer Zweiklassengesellschaft mit einer nicht-enhancten „Unterschicht“ abzuwägen.

Generell sagt sozialer Druck aber nichts über dessen ethische Akzeptabilität aus. Ebenso wie im Fall der Bedenken zur Verteilungsgerechtigkeit gesellschaftlicher Chancen ist man bei der normativen Beurteilung eines möglichen sozialen Drucks zum Enhancement auf Kriterien der Zumutbarkeit angewiesen. Die Nutzung einer bestimmten Enhancement-Maßnahme erscheint als umso größere Zumutung, je höher die damit verbundenen Risiken einerseits und der finanzielle und persönliche Aufwand andererseits sind. Weiterhin gilt für beide Problembereiche, dass die Grenze der Zumutbarkeit an Ungerechtigkeit bzw. sozialem Druck nur im Vergleich zu ähnlichen gesellschaftlichen Konfliktlagen genauer bestimmt werden kann.

4. Veränderungen der personalen Identität und Persönlichkeit

Besonders das Neuroenhancement wird von Kritisierenden gelegentlich als Bedrohung der personalen Identität gesehen, z. B. im Zusammenhang der Debatte um die Tiefe Hirnstimulation oder diverse nicht-invasive Stimulationsverfahren. Allgemein geht es dabei um die Befürchtung, dass die Personengruppen, die ein bestimmtes Enhancement-Verfahren anwenden, sich so grundlegend verändern könnten, dass sie in einem wichtigen Sinn nicht mehr als dieselben Personen zu betrachten wären, die sie vor der Nutzung des Verfahrens waren. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist es zweckdienlich, zwischen einem schwachen und einem starken Sinn zu unterscheiden, in dem eine Person in ihrer Identität betroffen sein kann. Der schwache Sinn bezeichnet Veränderungen des Typs, zu dem auch sogenannte „Identitätskrisen“ gerechnet werden können. Demnach wird befürchtet, dass sich eine Person in grundlegenden Eigenschaften mehr oder weniger tiefgreifend verändert, was sowohl bei ihr selbst als auch bei anderen zu Zweifeln über die eigene Identität führen kann. Auch wenn solche Veränderungen als krisenhaft erlebt werden können, bricht die Identität einer Person in ihrem Verlauf in der Regel aber nicht derart zusammen, dass man am Ende mit einer völlig neuen Person konfrontiert wäre. Fällt eine Veränderung dagegen so radikal aus, dass an die Stelle der ursprünglichen Person eine ganz andere Person zu treten scheint, so kann im starken Sinn von einem Wechsel personaler Identität gesprochen werden. Nicht jeder Personenbegriff lässt theoretischen Raum für diese starke Variante eines Wechsels personaler Identität. Wenn diese Möglichkeit eingeräumt wird, so ist in der bioethischen Literatur meist davon die Rede, dass Identität in einer numerischen Bedeutung betroffen ist.

Die Veränderungen personaler Identität, die Kritisierende des Enhancements von diesem erwarten, werden in der Regel ausschließlich als Bedrohung angesehen. Diese rein negative Sichtweise ist jedoch nur angemessen, wenn personale Identität im starken Sinn auf dem Spiel steht. Allerdings dürften die psychischen Folgen des Enhancements kaum jemals so dramatisch ausfallen, dass es plausibel scheinen könnte, den Fortbestand der ursprünglichen Person in Frage zu stellen. Vermutlich werden alle Veränderungen, von denen Personen im Verlauf der Nutzung von Enhancement-Verfahren betroffen sein können, nur Identität im schwachen Sinn betreffen. Als Nebenwirkungen können solche Effekte auch jenseits des Neuroenhancements auftreten, wenn etwa Doping mit Anabolika erhöhte Aggressivität bei Leistungssporttreibenden nach sich zieht. Auch wenn dies ein Beispiel für eine Persönlichkeitsveränderung durch Enhancement darstellt, die in den meisten Kontexten unerwünscht sein dürfte, kann sich die personale Identität im schwachen Sinn grundsätzlich auch zum Besseren ändern: Wenn es beispielsweise einer Person durch die (nicht therapeutisch indizierte) Einnahme eines Antidepressivums gelänge, eine (nicht pathologisch ausgeprägte) Schüchternheit zu überwinden, so könnte dies eine positiv zu bewertende Persönlichkeitsveränderung durch Neuroenhancement sein. In mittelbarer Folge könnte sich die Persönlichkeit noch weiter verändern, wenn etwa dank der herabgesetzten sozialen Hemmungen das Selbstwertgefühl oder die Selbstzufriedenheit dieser Person erheblich steigen würden.

Beide der hier unterschiedenen Auffassungen personaler Identität können für die Ethik des Enhancements von Nutzen sein. In Verbindung mit einem passend ausformulierten Personbegriff kann das Konzept eines starken Wechsels personaler Identität dazu dienen, einen Bereich inakzeptabler psychischer Folgen von Enhancement-Maßnahmen abzustecken. Die praktische Relevanz dieser Grenzziehung ist eher gering, weil es hier um so radikale Brüche der psychischen Kontinuität von Personen geht, dass sehr wahrscheinlich jede Intervention, welche die personale Identität in diesem Sinne bedrohen würde, als mögliches Enhancement-Verfahren unzulässig wäre. Demgegenüber bewährt sich das schwache Verständnis personaler Identität bei dem Versuch, eine differenzierte Bewertung der psychischen Folgen von Enhancement-Verfahren vorzunehmen, weil es sowohl besonders relevante negative als auch positive Effekte auszuzeichnen gestattet. Es liegt nahe, bei der Beschreibung dieser Folgen auf begriffliche Ressourcen psychologischer Persönlichkeitstheorien zurückzugreifen, weil der Persönlichkeitsbegriff die Möglichkeit bietet, bloß vorübergehende und periphere psychische Effekte von solchen zu unterscheiden, die wegen ihrer relativen Stabilität und Zentralität maßgeblich für die Individualität bzw. schwach verstandene Identität einer Person sind. Neben begrifflichen Kriterien zur Beschreibung von Persönlichkeitsveränderungen werden daher zusätzlich normative Kriterien benötigt, um sie in ethischer Hinsicht zu bewerten.

5. Gefährdungen für Autonomie und Authentizität 

Gelegentlich stoßen Enhancement-Verfahren auf ethische Vorbehalte, weil sie als Bedrohung der Selbstbestimmungsfähigkeit bzw. Autonomie der Anwendenden betrachtet werden. Wie bereits im Fall des Begriffs der personalen Identität ist es auch bezüglich des Autonomiebegriffs hilfreich, zunächst eine grundsätzliche Differenzierung vorzunehmen. Der Begriff der Autonomie wird zum einen verwendet, um Personen Selbstbestimmungsfähigkeit in bestimmten grundlegenden oder „basalen“ Hinsichten zu- oder abzusprechen. So bezeichnen die Rechtsbegriffe der Geschäftsfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit, Prozessfähigkeit oder auch der Religionsmündigkeit bereichsspezifische Aspekte der Autonomie, über die Menschen zu jedem gegebenen Zeitpunkt entweder ganz oder gar nicht verfügen. Um in der jeweiligen Hinsicht als autonom gelten zu können, müssen Personen unterschiedliche Fähigkeiten in einer Ausprägung aufweisen, die bestimmten Minimalkriterien entsprechen, wie etwa das Vermögen, relevante Zusammenhänge zu verstehen. Darüber hinausgehende individuelle Unterschiede in diesen Fähigkeiten spielen für die Zuschreibung der jeweiligen Selbstbestimmungsfähigkeit keine Rolle. Die Verwendung des Autonomiebegriffs folgt einer anderen logischen Struktur, wenn ihm ein ideales Verständnis von Selbstbestimmungsfähigkeit zugrunde liegt: Theorien idealer Autonomie ermöglichen es, Handlungsweisen, Persönlichkeitsmerkmale oder auch ganze Lebens- oder Selbstkonzepte als mehr oder weniger selbstbestimmt zu bewerten, je nachdem, wie gut mit ihnen ein bestimmtes Ideal der Selbstbestimmungsfähigkeit zur Geltung gebracht wird.

Enhancements kommen primär als Bedrohung ideal verstandener Selbstbestimmungsfähigkeit in Betracht. Der Verlust von Autonomie in einem grundlegenden Sinn könnte allenfalls als schwere Nebenwirkung in verzweifelten Therapieentscheidungen in Kauf genommen werden, als Folge eines Enhancement-Verfahrens wäre er dagegen unzulässig. Autonomiebezogene Bedenken gegenüber Enhancement sind in der Regel also nicht so zu verstehen, dass dessen Anwendende regelrecht ihren freien Willen einbüßen, weil sie bestimmte Mindestvoraussetzungen für Autonomie nicht mehr erfüllen. Vielmehr wird die graduelle Abnahme von einzelnen Fähigkeiten befürchtet, die für Selbstbestimmung in ihren unterschiedlichen Aspekten relevant sind. In diesem Sinn stellt etwa die Sorge, Enhancement-Verfahren könnten zu Abhängigkeit führen, die Autonomie der Nutzenden in Frage, weil Sucht und Abhängigkeit einen partiellen Verlust der Fähigkeit zur Selbstkontrolle bedeuten. Auch das aus der Debatte über ästhetisches Enhancement bekannte Argument, die Inanspruchnehmenden der Eingriffe ästhetischer Chirurg*innen seien nicht wirklich frei in ihren Entscheidungen, sondern fremdbestimmt durch soziale Erwartungen und unrealistische Schönheitsideale, bezieht sich auf ein ideales Verständnis von Autonomie.

Für die genauere Beurteilung von Bedenken bezüglich der Autonomie der Anwendenden von Enhancements muss das jeweilige Verständnis idealer Selbstbestimmung genauer analysiert werden. Eine gängige Bestimmung idealer Autonomie verbindet sich mit dem Authentizitätsbegriff. Authentizität meint dabei in erster Näherung die Abwesenheit von Selbstentfremdung. In positiver Wendung wird der Authentizitätsbegriff meist durch den Bezug auf ein „eigentliches“, „wahres“ oder „grundlegendes“ Selbst bestimmt. Fraglich ist dabei unter anderem, ob Authentizität im subjektiven Authentizitätsempfinden aufgeht oder ob es Kriterien gibt, anhand derer die Authentizität einer Person aus einer von ihr unabhängigen Perspektive der Beobachtung beurteilt werden kann. Beträchtlicher theoretischer Spielraum ergibt sich auch hinsichtlich der näheren Bestimmung dessen, was das wahre Selbst einer Person ausmacht. Die Teilnehmenden der Enhancement-Debatte scheiden sich insbesondere an der Frage, ob das wahre Selbst – verstanden als die praktische Identität, die eine Person für sich als grundlegend erachtet – ein vorgegebenes ist, das in einem Akt der Selbstfindung erkannt und anschließend bewahrt werden muss, oder ob es vielmehr das in einem Akt der Selbstverwirklichung frei gewählte Selbst ist. Aus den jeweils resultierenden Auffassungen von Authentizität ergeben sich radikal unterschiedliche Bewertungen des Enhancements. Wer das Selbstfindungsmodell vertritt, betrachtet technische Methoden der Selbstoptimierung in aller Regel als Einflüsse, die ihre Nutzenden von ihrem vorgegebenen Selbst entfremden. Vertretende des Konzepts der Selbstverwirklichung neigen demgegenüber dazu, jede Unterstützung bei der Realisierung personaler Selbstentwürfe zu begrüßen, und stehen dem Enhancement folglich im Allgemeinen positiv gegenüber.

Zitiervorschlag

Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (2024): Im Blickpunkt: Enhancement. URL https://www.drze.de/de/forschung-publikationen/im-blickpunkt/enhancement [Zugriffsdatum]

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