Kartoffelsorte Amflora
Als „Amflora” (EH92-527-1) wird eine von der Firma BASF Plant Science entwickelte Kartoffelsorte bezeichnet, deren Stärkezusammensetzung mit Hilfe gentechnischer Methoden so verändert wurde, dass sie besser für bestimmte industrielle Verwendungszwecke geeignet ist. In Europa stammt etwa die Hälfte der verarbeiteten Stärke aus Kartoffeln. Stärke wird nicht nur in der Lebensmittelindustrie eingesetzt, sondern ist auch Bestandteil vieler Produkte im so genannten Non-Food-Bereich. Herkömmliche Kartoffeln enthalten zwei unterschiedliche Stärkesorten, Amylopektin und Amylose, die gentechnisch veränderte Kartoffelsorte Amflora hingegen bildet nur die Amylopektinstärke. Während für die menschliche Ernährung beide Bestandteile wichtig sind, wird bei vielen technischen Anwendungen, wie etwa in der Papier-, Garn- und Klebstoffindustrie, ausschließlich Amylopektin benötigt.
Amflora ist laut Angaben der Herstellenden ein sicheres Produkt, welches viele Anwendungsmöglichkeiten biete und helfe, Energie und Kosten zu sparen, da eine aufwendige Trennung des Stärkegemischs umgangen werden könne. Kritische Stimmen verweisen indes auf Gefahren, die ihrer Meinung nach mit dem Anbau der gentechnisch veränderten Kartoffelsorte verbunden sein könnten. Amflora wurde ein Marker-Gen zugefügt, das die jungen Pflanzen im Entwicklungsstadium gegen die Antibiotika Kanamycin und Neomycin resistent macht. Dies ist notwendig, um die erfolgreich gentechnisch veränderten Jungpflanzen von Exemplaren zu trennen, die die gewollte Modifizierung nicht in sich tragen. Befürchtet wird eine nicht vorhersehbare Übertragung dieses Gens auf Bodenbakterien und letztlich eine ungewollte Antibiotikaresistenz beim Menschen.
Vor ihrer Zulassung wurde die gentechnisch veränderte Amylopektin-Kartoffel jahrelang im Labor ebenso wie im Freiland auf Ertrag, Schädlings- und Krankheitsresistenzen sowie schädliche Wirkungen für Mensch, Tier und Umwelt untersucht. In Deutschland fand der größte Freilandversuch mit Amflora 2009 unter strikten Sicherheitsauflagen auf einer Anbaufläche von 20 Hektar in Mecklenburg-Vorpommern statt.
Nach einem dreizehnjährigen Zulassungsverfahren genehmigte die EU-Kommission am 02. März 2010 den Anbau von Amflora zur Erzeugung industrieller Stärke sowie zur Futtermittelproduktion (eine Nutzung der gentechnisch veränderten Kartoffel als Lebensmittel war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen). Nur drei Jahre später jedoch, im Dezember 2013, wurde die Zulassung vom Gericht der Europäischen Union wegen Verfahrensfehlern für nichtig erklärt. Das Zulassungsverfahren der EU für gentechnisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel sieht vor, dass die Europäische Kommission oder der Rat der Europäischen Union über Anbauanträge auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Gutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) entscheiden. Unterstützt wird die EU-Kommission in ihren Entscheidungen von zwei Ausschüssen, die sich aus Vertretenden der Mitgliedstaaten zusammensetzen. Im Laufe des Zulassungsverfahrens für Amflora hatte die EFSA mehrere Stellungnahmen abgegeben, die allesamt zu dem Schluss gelangt waren, dass von der Kartoffelsorte weder eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier noch für die Umwelt ausgehe. In seinem Urteil beanstandete das Gericht der EU, dass die EU-Kommission es vor der Erteilung der Anbaugenehmigung versäumt habe, das ihr vorliegende aktuellste Gutachten der EFSA an die zuständigen Ausschüsse zur Stellungnahme weiterzuleiten.
Die Aufhebung der Zulassung für Amflora durch das Gericht der EU war insofern nicht von praktischer Relevanz, als Amflora bereits seit 2012 nicht mehr in der EU angebaut wird. Der BASF-Konzern hatte damals entschieden, sich vollständig aus dem Anbau gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel in Europa zurückzuziehen und sich stattdessen auf den nord- und südamerikanischen sowie den asiatischen Raum zu konzentrieren. Grund dafür sei die mangelnde Akzeptanz sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung sowie die Angst vor neuen Angriffen auf Freilandversuchsfelder durch Gentechnikkritisierende.
Durch die Anwendung des CRISPR/Cas-Verfahrens gelang es der Swedish Starch Manufacturers' Association (Sveriges Stärkelseproducenter, Förening, SSF) in Zusammenarbeit mit Forschenden der Swedish University of Agricultural Sciences (SLU) eine Kartoffelsorte zu entwickeln, bei der dasselbe Gen zur Bildung von Amylose ausgeschaltet wurde, das auch bei der Amflora-Kartoffel ausgeschaltet wurde. Die Stärke-Kartoffel soll von 2019 bis 2023 auf bis zu 1500 Hektar freigesetzt werden.
transGEN (2015): Die Industriestärke-Kartoffel Amflora: Langes Zulassungsverfahren, kurzes Ende. Online Version
Gericht der Europäischen Union (2013): Pressemitteilung Nr. 160/13 vom 13. Dezember 2013: Das Gericht erklärt die Beschlüsse der Kommission über die Zulassung des Inverkehrbringens der genetisch veränderten Kartoffelsorte Amflora für nichtig. Online Version
transGEN (2019): Stärke-Kartoffel: Neuer Anlauf mit CRISPR in Schweden. Online Version