In-utero-Gentherapie

Mit dem Begriff der In-utero-Gentherapie (auch fetale Gentherapie oder pränatale Gentherapie) wird die Idee bezeichnet, somatische Gentherapien bereits vorgeburtlich am Embryo anzuwenden, um genetisch bedingte Erkrankungen zu verhindern. Ein Konzept stammt von dem Arzt und Humangenetiker Charles Coutelle. Diesem zufolge hat der intrauterine (d. h. der innerhalb der Gebärmutter (Uterus) stattfindende) Gentransfer gewisse Vorzüge gegenüber einer postnatalen Behandlung. So wird beispielsweise angenommen, dass der Embryo bzw. Fetus die rekombinante DNA besser aufnimmt als ein geborenes Kind, womit eine lebenslang andauernde Produktion des therapeutischen Genprodukts erreicht werden könnte. Auch geht man davon aus, dass es durch diese Behandlungsmethode zu wesentlich geringeren Immunreaktionen gegen Vektor und Genprodukt kommt. 

Andererseits birgt ein solches Verfahren gewisse Risiken, wie z. B. das Risiko von Infektionen, einer Auslösung vorzeitiger Wehen und von Fehlgeburten. Zudem kann eine unerwünschte Keimbahnbeeinflussung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Es sind also nicht nur Risiken für das austragende Elternteil und den Fetus selbst denkbar, sondern auch für mögliche nachkommende Generationen. 

Die Etablierung einer solchen Behandlungsmethode erfordert darüber hinaus die Forschung an menschlichen Embryonen. Umstritten ist, unter welchen Bedingungen es zu rechtfertigen wäre, Embryonen zu Objekten entsprechender Experimente zu machen. Bisher wurde dieser Therapieansatz nur am Tiermodell erforscht. In Anbetracht der Risiken und Unsicherheiten stellt die pränatale Gentherapie zurzeit noch keine Behandlungsalternative dar. 

Coutelle, Charles (2005): Pränatale Gentherapie. Wissenschaftliche Grundlagen und ethische Aspekte der vorgeburtlichen somatischen Gentherapie genetisch bedingter Erkrankungen. Dortmund: Humanitas Verlag (Berliner Medizinethische Schriften: 55. Beiträge zu ethischen und rechtlichen Fragen der Medizin).

Coutelle, Charles (2011): Intrauterine Gentherapie: ein Konzept zu vorgeburtlichen Prävention genetisch bedingter Erkrankungen. In: Fehse, Boris / Domasch, Silke (Hrsg.): Gentherapie in Deutschland: eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme, Themenband der interdisziplinären Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht 27, 127–150. Online Version

Weiterführende Informationen zu Gentherapien in utero, die Verfahren der Genomeditierung anwenden, finden sich u. a. hier:

Albrecht, S. / König, H. / Sauter, A. (2021): Genome Editing am Menschen. Endbericht zum Monitoring. TAB-Arbeitsbericht Nr. 191. Berlin: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB): 8, 64. Online Version

Yung, N. K. / Maassel, N. L. / Ullrich, S. J. / Ricciardi, A. S. / Stitelman, D. H. (2021): A narrative review of in utero gene therapy: advances, challenges, and future considerations. In: Transl Pediatr 10 (5), 1486-1496. Online Version (Englisch)

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