Bildgebung in den Neurowissenschaften
Stand: April 2024
Ansprechpartnerin: Elena Krämer-Nagelschmidt
Schon vor 500 Jahren zog die Funktionsweise des Gehirns Forschende in ihren Bann. Leonardo da Vinci, der mittels Phrenologie versuchte, die Black Box Gehirn zu untersuchen, blieben tiefere Erkenntnisse noch verwehrt. Erst seit den modernen Verfahren medizinischer Bildgebung ist es Forschenden möglich, einen „Blick“ in das Gehirn eines lebenden Menschen zu werfen. Meist bedienen sich diese modernen Verfahren der Strahlung, der Magnetfelder oder des Ultraschalls, um die Funktionsweisen des Gehirns darzustellen. Bildgebende Verfahren lassen sich in vielen Anwendungsfeldern einsetzen. So kommen Verfahren der Neurobildgebung auch im Rechtswesen zum Einsatz, wenn es darum geht, die Schuldfähigkeit, Rückfallprognose oder Glaubhaftigkeit von Straftäter*innen zu bemessen. Der hier vorliegende Sachstandsbericht fokussiert auf die Anwendung sowie die ethischen Aspekte der Anwendung in der Medizin und insbesondere in der medizinischen Praxis.
Was sind bildgebende Verfahren?
Bildgebende Verfahren sind ein Instrument der Neurowissenschaften, um zu verbesserter Diagnostik und Therapieplanung beizutragen, beispielsweise vor operativen Eingriffen. Ebenso helfen bildgebende Verfahren Forschenden inzwischen bei grundlegenden Fragen nach Aufbau und Beschaffenheit des Gehirns – eine neue Möglichkeit, die in besonderem Maße der Magnetresonanztomographie (MRT) zu verdanken ist, da diese ohne gesundheitsschädigende Strahlung auskommt und somit ohne Bedenken multipel reproduzierbar ist.
Die Computertomographie wiederum, kurz CT, kann insbesondere bei der klinischen Diagnostik und akuten Veränderungen des Gehirns, wie bspw. Blutgerinnseln oder Schlaganfällen, Aufschluss geben und gilt hierbei, trotz des Einsatzes von Röntgenstrahlung, noch immer als Goldstandard.
Ebenfalls nicht-invasive Maßnahmen sind Magnetenzephalographie (MEG) sowie Elektroenzephalographie (EEG). Bei MEG-Verfahren werden etwa 300 Sensoren an der kompletten Kopfoberfläche verteilt, was eine Registrierung neuronaler Aktivität im Millisekundenbereich ermöglicht. Dadurch wird, insbesondere beim MEG, ein unverzerrtes Bild der Hirnaktivität gewährleistet. Ähnlich wie beim EEG werden auch bei der Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS) Signale direkt von der Schädeloberfläche abgeleitet. Die NIRS hat den Vorteil, dass sie leicht handhabbar und auch mobil einsetzbar ist. Somit hat man auch ein Bildgebungsverfahren, das abseits steriler Laborbedingungen in Alltagssituationen Ergebnisse liefern kann. Wenngleich die NIRS eine geringere Auflösung bietet, ist die Mobilität in manchen Situationen ein ausschlaggebendes Argument für den Einsatz.
Wichtig hierbei zu begreifen ist jedoch, dass mit dem Begriff der „Bildgebung“ nicht tatsächlich ein klares Bild der inneren Vorgänge des Gehirns gemeint ist, sondern vielmehr anhand von Daten ausgewertet werden kann, welche Areale aktiv sind oder ob bspw. Tumore oder Blutungen im Gehirn zu finden sind.
Kontroverse um Anerkennung der Neurobildgebung in den Wissenschaften
Während die Neurobildgebung in den letzten 30 Jahren wesentlich zum Verständnis des Gehirns beitrug, musste sich auch dieser Forschungsbereich zunächst mit unzureichenden Ergebnissen auseinandersetzen und sich dem Problem mangelnder Stichprobengrößen und fehlender Reproduzierbarkeit stellen. Doch während die Proband*innenanzahl zunächst bei etwa 10 Personen pro Gruppe lag, vervierfachte sich diese Größe bis in die 2000er Jahre und wurde in den letzten 10 Jahren noch einmal signifikant vergrößert. Dank des Paradigmenwechsels hin zu einer weltweiten, gemeinsamen Datennutzung und dem Austausch von erhobenen Daten weltweit, haben Forschende heute Zugang zu einem großen Pool an Bildgebungsdaten von MRT bis EEG.
Diese Daten und die daraus gewonnenen Informationen ermöglichten weitere Fortschritte in der Erforschung der Konnektivität und der Alterungsprozesse des Gehirns, sowie in puncto Zusammenhang zwischen Gehirnstruktur und Umweltfaktoren. Mithilfe großer Datenbanken wie der UK-Biobank-Kohorte oder der 100 Brains Studie, konnte beispielsweise das Default-Mode-Netzwerk bestimmt werden und ein Zusammenhang dieses Netzwerks mit dem natürlichen Alterungsprozess erkannt werden. Mittels dieser Datenbanken lässt sich auch bestimmen, wie sich protektive und negative Lebensstil-Faktoren auf die Gehirnstruktur und funktionelle Konnektivität des Gehirns auswirken. Hier ließ sich erkennen, dass negative Faktoren wie übermäßiger Alkoholkonsum und übermäßiges Rauchen, aber auch übermäßiger Sport zu einem regionalen Verlust bzw. einem Verlust an Konnektivität der synaptischen Verbindungen führen, während insbesondere soziale Integration zu einem Erhalt dieser beiträgt.
Anwendungsmöglichkeiten der Neurobildgebung
Nachdem bildgebende Verfahren heute weithin als hilfreiches Messinstrument anerkannt sind, kommen diese Verfahren, insbesondere die Verfahren der Neurobildgebung wie CT und MRT, vor allem in der psychiatrischen und neurologischen Diagnostik zum Einsatz. Die aus den Verfahren gewonnenen Daten können prognostische Hilfestellungen sein, akute psychiatrische, aber auch vaskuläre Erkrankungen diagnostizieren und so für die Behandlung maßgeblich sein. Nachdem das menschliche Genom entschlüsselt wurde, wird jetzt daran gearbeitet, auch das menschliche Gehirn aufzuschlüsseln und die Funktionsweisen zu decodieren – doch davon ist die Wissenschaft bisher noch weit entfernt. Dennoch ist es auch heute bereits möglich, erste Marker für Alzheimer-Demenzen anhand der Ablagerung von Amyloid-Plaque zu erkennen oder Blutungen und Tumore im Gehirn erkennbar zu machen. Auch bei psychiatrischen Erkrankungen wie Psychosen ist die Forschung auf dem Weg, Marker für eine bessere Diagnostik und Früherkennung zu ermitteln. Dennoch ist es wichtig zu bedenken, dass das menschliche Gehirn nicht unabhängig existiert, sondern ein Organ ist, das ständig in Interaktion und Wechselwirkung mit seiner Umwelt steht und von dieser mitverändert wird. Die größte Stärke des Gehirns ist sicherlich die ihm immanente Lernfähigkeit und Flexibilität, die es dem Menschen ermöglicht, Abbauprozessen vorzubeugen und auch in späteren Lebensaltern noch neue neuronale Verbindungen zu knüpfen.
Anhand zweier Beispiele wird im Folgenden das Potenzial der Neurobildgebung in der medizinischen Praxis detaillierter dargestellt.
Beispiel der Diagnostik des akuten Schlaganfalls
Bildgebende Verfahren werden längst zur Identifikation von Schlaganfällen eingesetzt, wobei während der CT und MRT Scans auch Blutungen, Gefäßverschlüsse und die Größe eines Infarktkerns definiert werden können. Gerade die Identifizierung des für den Schlaganfall verantwortlichen Gefäßverschlusses ist maßgebend für die weitere klinische Behandlung. Dies wird insbesondere mittels CTA und MRA eruiert. Diese Technologien sind sowohl schnell als auch effizient und geben ein Bild des arteriellen Systems des gesamten Körpers in kürzester Zeit wieder. Genau der Faktor Zeit spielt bei Infarkten oft eine signifikante Rolle – hier hat sich das Diffusions-MRT bewährt, das bei der Früherkennung von Infarktkernen eine gute Prognose liefert. Ebenfalls zum Einsatz kommt die MRT bei Patient*innen, bei denen der Infarktbeginn unbestimmt ist, beispielsweise weil sie schliefen. Hier ist zudem auch das Diffusions-/Perfusions-Mismatch ausschlaggebend. Nach der Bestimmung dieses Ungleichgewichts der MRT-Sequenzen, kann die klinische Behandlung angepasst und beispielsweise eine intravenöse Thrombolyse zur Auflösung des Blutgerinnsels indiziert werden.
Sowohl CT als auch MRT liefern also heute wichtige prognostische sowie diagnostische Informationen, die das therapeutische Vorgehen mitbestimmen. Bildgebung ist im Akutfall des Schlaganfalls bis heute unersetzbar.
Gerade auch bei der Prognose der Genesung können bildgebende Verfahren Aufschlüsse über die langfristige Erholung liefern. Hier kommt, neben weiteren Faktoren, die strukturelle MRT zum Einsatz. Durch diese Indikatoren können, gemeinsam mit der Lokalisation der Hirnschädigung, einigermaßen valide Prognosen getätigt werden. Dennoch sind auch diese Feststellungen durch CT und MRT nicht ausreichend, um eine abschließende Prognose für die Genesung mit Sicherheit bestimmen zu können. Durch die Hinzunahme funktioneller Biomarker kann die Prognose lediglich verbessert werden. Insgesamt können mittels MRT-Verfahren Läsionen im Gehirn ermittelt werden, DWI und DTI bilden die strukturelle Konnektivität bestimmter Areale des Gehirns ab. Das fMRI im Ruhezustand stellt die funktionelle Konnektivität in Netzwerkregionen dar, während das Aktivierungs-fMRT kontrastierend die Regionen darstellt, die primär und unbeachtet von Läsionen an einer entsprechenden Funktion beteiligt sein sollten.
Wie beschrieben sind MRT und CT die wichtigsten bildgebenden Hilfsmittel, um einen Schlaganfall zu erkennen und sowohl diagnostische als auch prognostische Schlüsse zu ziehen. MEG und EEG können hier ebenfalls zu Rate gezogen werden, spielen aber allenfalls eine untergeordnete Rolle.
Beispiel Bildgebender Verfahren bei neurodegenerativen Erkrankungen
Zudem werden bildgebende Verfahren auch bei neurodegenerativen Verfahren zu Rate gezogen, wenn es um eine Diagnosestellung geht. Setzte man diese Verfahren bis vor Kurzem noch allein zur Differenzialdiagnostik ein, kommt man Biomarkern und einer validen Deutung heute näher. Dennoch ist es auch für spezialisierte Fachkräfte weiterhin schwierig, eine Diagnose von Morbus Parkinson (PD), Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB), Multisystematrophie (MSA), progressiver supranukleärer Parese (PSP) oder dem kortikobasalen Syndrom zu stellen und von anderen Krankheiten zu trennen. Dabei hilfreich sind neue Messverfahren wie Hochfeld- und Ultra-Hochfeld-MRT, die eine schnellere Bildakquisition ermöglichen, ebenso wie weitere MR-Sequenzen, die Neuromelanin und Eisen abbilden. Das Zusammenspiel aus molekularer Bildgebung und der Erfassung von MR-Sequenzen ermöglicht das Auslesen von Dysfunktionen dopaminerger (Dopamin), serotonerger (Serotonin), cholinerger (Acetylcholin) und noradrenerger (Noradrenalin) Vorgänge im Gehirn und gibt somit Aufschluss über eine mögliche Frühdiagnose von Morbus Parkinson. Zukünftig ist zu erwarten, dass höhere Feldstärken in der Messung von MR-Sequenzen noch bessere, validere Ergebnisse zulassen, und auch von MEG-Aufzeichnungen erwartet man sich zukünftig einen breiteren Einsatz bei der Diagnostik und Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen.
Unerlässlich ist es, bei oben beschriebenen Beispielen einen ethischen Rahmen zu bieten, auf den das medizinische und wissenschaftliche Fachpersonal zurückgreifen kann, wenn es um Belange wie Forschungsstudien, Zufallsbefunde, oder auch allein um die Indikation eines Verfahrens der Bildgebung geht. Die Autonomie von Patient*innen und Proband*innen muss hierbei stets ein oberstes Gut sein und es muss vermieden werden, Zwang auf die betroffene Person auszuüben. Dabei spielen auch soziologische Faktoren wie Herkunft oder Milieu eine Rolle, da Studien bspw. einkommensschwache Proband*innen einem indirekten Zwang aussetzen können.
Auch Zufallsbefunde stellen Ärzt*innen vor ein ethisches Problem: Die indizierten Methoden der Diagnostik sind nicht mit dem avisierten Befund kongruent, der oder die Patient*in kann jedoch im Nachhinein schwer um Einverständnis für einen Zufallsbefund gebeten werden, was das medizinische Fachpersonal vor das Dilemma der Lebenswahrung gegen die Autonomie der Patient*in stellt. Eine basalere, wenngleich ebenso wichtige Herausforderung ist die Abwägung eines bildgebenden Verfahrens gegen den anzunehmenden Schmerz und möglicherweise psychischen Stress, den eine solche Prozedur mitbringt. Hierbei ist die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt angeleitet, eine Risiko-Nutzen-Analyse durchzuführen und abzuwägen, ob der Nutzen bezüglich einer Heilung, oder das Risiko des Schmerzes bzw. der Verschlechterung des Gesundheitszustandes überwiegt.
In der Ethik werden die oben beschriebenen bildgebenden Verfahren auch unter dem Begriff des Neuroimaging zusammengefasst. Die Bedeutung jedoch deckt sich. Neuroimaging oder bildgebende Verfahren bringen eine Reihe von Risiken und ethischen Implikationen mit sich, die im Folgenden behandelt werden und die es zu bedenken gilt, um einem gefahrenlosen, regulären Einsatz an Proband*innen und Patient*innen vorbehaltlos gerecht zu werden.
Risiken der Anwendung
Bildgebende Verfahren bringen viele Möglichkeiten mit sich, bergen aber auch einige Risiken, zum Teil minimale, zum Teil aber, bedingt durch Strahlungsbelastung, auch gravierendere. Beispielsweise bergen NIRS, EEG und MEG kaum Risiken, während das Risiko von MRT etwas höher und das von PET und SPECT deutlich höher eingeschätzt wird. Bei MRT-Verfahren besteht eine der größeren Gefahren in dem Magnetfeld, das von der Magnetresonanztomographie ausgeht. Hier kann es passieren, dass Patient*innen magnetische Gegenstände unwissentlich in das MRT-Gerät mit einführen – von magnetischem Sand bis hin zu magnetischen Farbpigmenten in Tattoos kommen hier viele Gegenstände in Frage, die unabsichtlich in das Gerät eingeführt werden. Auch ältere Implantate stellen hierbei eine Gefahr dar, da auch sie magnetisch und somit nicht für MRT-Geräte geeignet sind. Neben der fahrlässigen Einführung von magnetischen Gegenständen sind auch der starke Geräuschpegel sowie die Enge des MRT-Gerätes als potenzielles Risiko zu nennen, der für Menschen mit Klaustrophobie psychisch und körperlich belastend sein kann. Auch die Gabe von Kontrastmitteln, die in den meisten Fällen aus jod- oder gadoliniumhaltigen Substanzen bestehen, kann im seltenen Fall von Nebenwirkungen zu derart gravierenden, negativen Folgen führen, dass eine Gabe stets im Sinne einer Risiko-Nutzen-Bilanz abgeschätzt werden muss.
Dennoch gilt das MRT noch als minimalriskantes Verfahren, anders als SPECT und PET. Da bei beiden Verfahren Radionuklide verwendet werden, bergen diese an und für sich ein größeres Risiko. Nutzer*innen werden der Strahlung bei der Handhabung ausgesetzt, während Patient*innen die Substanzen injiziert bekommen – hier besteht, auf Patient*innenseite, also gleich ein zweifaches Risiko: Durch das invasive Verfahren können alpha- und beta-Strahlungen auf den Organismus einwirken, das injizierte Mittel wiederum führt dazu, dass der Körper auch einer internen Strahlenquelle ausgesetzt wird.
Bei der Frage nach einer Altersspezifizierung bei der Anwendung lässt sich festhalten, dass der Einsatz bildgebender Verfahren an Kindern nur bedingt rechtfertigbar ist – während einige Forschende die spielerische Einbindung von Minderjährigen in die Forschung mit genannten Verfahren als gerechtfertigt erachten, wenn ein entsprechend großer Gewinn an Erkenntnis für einzelne Individuen oder Gruppen geschaffen wird, lehnen andere Forschende dies mit dem Gedanken an das unmittelbare Leid für die jeweiligen Proband*innen ab.
Die Herausforderung einer angemessenen Aufklärung von Proband*innen und Patient*innen
Ebenfalls muss eine transparente und gelingende Kommunikation mit Proband*innen und Patient*innen bedacht werden. Beispielsweise sollte zum einen darüber aufgeklärt werden, dass die bildgebenden Verfahren keine Abbildungen im eigentlichen Sinne sind, sondern vielmehr Messwerte, die farblich kodiert abgebildet werden. Zum anderen kommt es häufig zu Missverständnissen darüber, mit was die einzelnen Ergebnisse verglichen werden: So werden die Messwerte einer Patient*in nicht mit einzelnen Proben eines anderen Individuums verglichen, sondern mit dem Durchschnitt einer Proband*innengruppe – Abweichungen gehören also zur Regel. Auch bei bester Aufklärung kommt es oftmals weiterhin zu Fehleinschätzungen, insbesondere auf Seiten der Patient*innen. Durch die teuren Verfahren wird sich häufig ein höherer Nutzen für die Genesung versprochen und Patient*innen sind enttäuscht, wenn das Verfahren keine neuen Behandlungs- oder Heilungschancen ermöglicht. Bekannt ist dieses Phänomen auch unter dem Namen diagnostisch-therapeutische Fehleinschätzung: Ein therapeutischer Nutzen wird bedeutend niedriger, oder, meistens, bedeutend höher eingeschätzt, als er im Endeffekt ausfällt.
Ein weitverbreitetes Missverständnis, was in der Praxis mit bildgebenden Verfahren gängig ist, ist zudem das therapeutische Missverständnis. Hierunter wird verstanden, dass gerade Teilnehmende einer Studie davon keinen direkten Nutzen haben und keine Heilung vorgesehen ist. Eine Verbesserung der Gesundheit ist bei solchen Studien eher ein Nebeneffekt, der eintreten kann – ausgelegt ist die Studie aber zu verallgemeinerbarem Wissensgewinn, nicht zur Heilung von Individuen.
Risiken des Neuroimagings: Zufallsbefunde
Eine weitere Komplikation sind Zufallsbefunde. Diese sind vergleichsweise häufig und treten, aufgrund der Beschaffenheit der Verfahren (die nicht nur auf die spezifisch erwartete Diagnose abzielen, sondern eine Vielzahl von Daten bereitstellen) mit einer nennenswert großen Wahrscheinlichkeit auf. Hier stellt sich die Frage, wie mit einem solchen Zufallsbefund umzugehen ist. Die Zahlen variieren stark, im Mittel gehen Forschende davon aus, dass bei 2,7 Prozent aller fMRT-Untersuchungen solche zufälligen Befunde kenntlich werden. Das stellt sowohl Forschende als auch Ärzt*innen vor das moralische Dilemma, das Recht auf Nichtwissen der Proband*innen oder Patient*innen zu wahren, und auf der anderen Seite der Pflicht zur Nothilfe nachzukommen. Beiden Forderungen können Forschende und Mediziner*innen, ohne vorherige Planung, nicht nachkommen, da sie sich divergent gegenüberstehen. Vorweg lösen ließe sich dieses Dilemma durch eine Aufklärung der getesteten Person, nach welcher diese, noch vor dem Einsatz des Neuroimagings, festlegt, wie sie mit Zufallsbefunden umgehen möchte. Dennoch gibt es auch hier kritische Stimmen in der Forschung, die bspw. der Meinung sind, dass Autonomie und Nichtwissen unvereinbar seien. Wenngleich also ein Patient oder eine Patientin von dem Recht einer Verzichtserklärung Gebrauch machen kann, nach welcher sie den weiteren Verlauf der Krankheit in die Hände Dritter legt, steht zur Debatte, ob eine Person sich autonom und frei Verhalten und Entscheiden kann, wenn ihr gravierende Informationen nicht vorliegen. Nichtsdestotrotz wenden andere ein, dass auch Stressfaktoren und Belastungen, die vor allem mit einem prognostisch ungünstigen und nicht behandelbaren Zufallsbefund einhergehen, nicht marginal sind.
Chancen und Potenzial des Neuroimagings: Frühdiagnostik und verbessertes Coping
Auf der anderen Seite resultieren Imaging-Verfahren und die daraus erhobenen Daten in verbesserten und zahlreicheren Diagnosen sowie auch Frühdiagnosen, die eine Krankheit schon vor dem Symptombeginn feststellbar machen. Das bietet einige Chancen bezüglich der Lebensgestaltung: Wer schon vor einer beginnenden Demenz-Erkrankung mit ausgeprägten Symptomen von der Diagnose Kenntnis hat, kann sein Haus beispielsweise modifizieren, seine Angelegenheiten regeln und Vorsorge mit dem familiären Umfeld treffen. Ebenso ist es manchmal möglich, den Symptombeginn bei bekannter Diagnose zu lindern oder zu verzögern, ebenso wie es der Forschung ermöglicht wird, die Behandlung früher anzusetzen und zu optimieren. All diese Errungenschaften können bei weiterer Entwicklung und flächendeckendem Einsatz nutzbar gemacht werden, sollten jedoch auch immer das Individuum und dessen Bedürfnisse im Blick behalten.