Erfassung des Biodiversitätsverlusts
Aufgrund der schwierigen Bestimmung von Artenzahlen, aber auch wegen der problematischen Quantifizierbarkeit von Vielfalt (beispielsweise von Ökosystemen), ist die Erfassung des Biodiversitätsverlusts sehr schwierig. Dennoch wurden zahlreiche Studien zu dieser Thematik durchgeführt, die unterschiedliche Aspekte des Verlusts herausarbeiten.
Erfassung des Biodiversitätsverlusts in Bezug auf Wirbeltiere:
Ceballosa et al. erfassen beispielsweise die (nach ihrer Einschätzung zum Teil besorgniserregend negative) Entwicklung der Populationen ausgewählter Wirbeltierarten zwischen 1900 und 2015. Die untersuchten Arten und ihre Populationen waren dabei in der Regel nicht direkt vom Aussterben bedroht. Ceballosa et al. ergänzen damit den im Biodiversitätsdiskurs üblichen Fokus auf den Rückgang und Verlust einzelner Arten um eine Analyse der Entwicklung von Artenpopulationen:
Li et al. legen in ihrer Studie den Schwerpunkt auf den Rückgang der genetischen Diversität in ausgewählten Populationen von Wirbeltieren und zeichnen seinen Verlauf bis in das 19. Jahrhundert zurück:
Li, Haipeng / Xiang-Yu, Jinggong / Dai, Guangyi / Gu, Zhili / Ming, Chen / Yang, Zongfeng / Ryder, Oliver A. / Li, Wen-Hsiung / Fu, Yun-Xin / Zhang, Ya-Ping (2016): Large numbers of vertebrates began rapid population decline in the late 19th century. In: PNAS, 113(49), 14079-14084. (Englisch) Online Version
Buchart et al. untersuchen die Entwicklung der Biodiversität seit 1970 und den nur geringen Fortschritt bezüglich ihrer Erhaltung anhand von 31 spezifischen Indikatoren:
Butchart, Stuart H. M. / Walpole, Matt / Collen, Ben / van Strien, Arco / Scharlemann , Jörn P. W. / Almond, Rosamunde E. A. / Baillie, Jonathan E. M. / Bomhard, Bastian / Brown, Claire / Bruno, John / Carpenter, Kent E. / Carr, Geneviève M. / Chanson, Janice / Chenery, Anna M. / Csirke, Jorge / Davidson, Nick C. / Dentener, Frank / Foster, Matt / Galli, Alessandro / Galloway, James N. / Genovesi, Piero / Gregory, Richard D. / Hockings, Marc / Kapos, Valerie / Lamarque, Jean-Francois / Leverington, Fiona / Loh, Jonathan / McGeoch, Melodie A. / McRae, Louise / Minasyan, Anahit / Hernández Morcillo, Monica / Oldfield, Thomasina E. E. / Pauly, Daniel / Quader, Suhel / Revenga, Carmen / Sauer, John R. / Skolnik, Benjamin / Spear, Dian / Stanwell-Smith, Damon / Stuart, Simon N. / Symes, Andy / Tierney, Megan / Tyrrell, Tristan D. / Vié, Jean-Christophe / Watson, Reg (2010): Global Biodiversity: Indicators of Recent Declines. In: Sience, Vol. 328 (5982), 1164-1168. (Englisch) Online Version
Erfassung des Biodiversitätsverlusts in Bezug auf wirbellose Arten:
Régner et al. legen den Fokus ihrer Studie auf wirbellose Arten. Dabei stellen sie heraus, dass aufgrund fehlender Daten zu den Arten und der Entwicklung von Wirbellosen die Zahl der tatsächlich bedrohten und der bereits ausgestorbenen Spezies wahrscheinlich höher ist, als derzeit vermutet wird:
Régnier, Claire / Achaz, Guillaume / Lambert, Amaury / Cowie, Robert H. / Bouchet, Philippe / Fontaine, Benoît (2015): Mass extinction in poorly known taxa. In: PNAS, 112(25), 7761-7766. (Englisch) Online Version
Wirbellose stellen eine besondere Herausforderung für die Erfassung des Biodiversitätsverlusts dar. Obwohl die Klasse der Wirbellosen über 90 % der weltweit bekannten Arten ausmacht, sind nur sehr wenige Arten hinreichend erforscht, um adäquate Aussagen zu ihrem Gefährdungsgrad zu machen. Schwierigkeiten bei der Erhebung relevanter Daten stellen unter anderem unklare und in ihrer Weitreiche sehr unterschiedliche – häufig auch schwer zugängliche – Verbreitungsgebiete sowie die in der Regel sehr geringe Größe und schwierige Differenzierbarkeit der jeweiligen Arten dar. Zudem kommt es insbesondere bei Insekten häufig zu erheblichen Populationsschwankungen zwischen "starken" und "schwachen" Jahren. Auch liegt der Fokus des Forschungsinteresses in Bezug auf die Erfassung von Biodiversität bzw. des Biodiversitätsverlust grundsätzlich auf den für die Forschung leichter zugänglichen Wirbeltieren. Aber auch hinsichtlich der Erforschung von Wirbellosen herrscht ein starkes Ungleichgewicht: So gibt es beispielsweise reichlich Daten zu einzelnen als charismatisch empfundenen wirbellosen Arten wie Libellen, Schmetterlingen oder Korallen, während die meisten Spinnen- oder Wurmarten viel weniger breit erforscht werden.
Zur Erfassung des Biodiversitätsverlusts bei Wirbellosen siehe außerdem:
Collen, Ben / Böhm, Monika / Kemp Rachael / Baillie, Jonathan E. M. (Hg.) (2012): Spineless Status and trends of the world’s invertebrates.Zoological Society of London, United Kingdom.
Diniz-Filho, Jose A. F. / de Marco Jr., Paulo / Haw, Bradford A. (2010): Defying the curse of ignorance: perspectives in insect macroecology and conservation biogeography. In: Insect Conservation and Diversity 3, 172–179.
Ponder, Winston / Lunney, Daniel (1999): The Other 99%. The Conservation and Biodiversity of Invertebrates. Transactions of the Royal Zoological Society of New South Wales.