Ethische Aspekte der Synthetischen Biologie
Die Synthetische Biologie beschäftigt sich aus ingenieurswissenschaftlicher Perspektive mit den Konstruktions- und Zusammensetzungsmöglichkeiten lebendiger, modularer ‚Bausteine‘, an deren Ende die Erzeugung lebendiger Organismen aus zuvor unbelebter Materie stehen könnte. Während es derzeit noch an einer einheitlichen und anerkannten Definition mangelt, umfasst das Feld eine breite Reihe an Forschungsinteressen und Anwendungsgebieten, wie die Konstruktion biologischer Sensoren und die Optimierung von Stoffwechselabläufen, aber auch Grundlagenforschung und die gezielte ‚Entwicklung‘ von Leben selbst.
Aus einer ethischen Perspektive ergeben sich bei Betrachtung der Synthetischen Biologie eine Reihe von Problemstellungen, teilweise bisher nicht dagewesener Dimension. Während sich einerseits erhofft wird, nach dem Prinzip „What I cannot create, I do not understand“ (Richard Feynman) im Prozess der Erschaffung künstlicher, lebendiger Entitäten Antworten auf die bisher umstrittene Frage zu finden, was Lebendiges von nicht-Lebendigem unterscheidet, wird eine solche Unterscheidung anhand bisher etablierter Kriterien andererseits zunehmend aufgeweicht, da verschiedene Bestandteile lebendiger Organismen (auf subzellulärer Ebene) in den Verfahren der synthetischen Biologie nach Belieben neukombiniert und mit toter Materie in Verbindung gebracht werden können. Lebendigkeit als ethisch relevante Eigenschaft verliert damit potentiell an inhaltlicher Bedeutungskraft, was durch die mechanistisch-funktionale Betrachtungsweise der Ingenieurswissenschaften zusätzlich befördert wird. Ebenfalls wird befürchtet, dass sich nicht länger zwischen natürlichen und künstlichen Entitäten unterscheiden lässt, da erstere zur Produktion letzterer nutzbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang stellt sich erneut die Frage nach der Rolle, die Menschen im naturalen Gesamtsystem einnehmen (sollen), da ihr Einfluss mit der Manipulation von Organismen auf ihrer fundamentalsten Ebene bis hin zur vollständigen Neukreation, ein bisher unerreichtes Ausmaß darstellt. Neben diesen Aspekten ist auch im Bereich der Synthetischen Biologie eine Folgenabschätzung für den Einsatz unterschiedlicher Technologien nicht oder nur teilweise möglich, da der Wissensbereich bisher nur unzureichend erschlossen ist.
Für eine Darstellung der naturwissenschaftlichen Aspekte siehe etwa:
Giese, B. (2020): Naturwissenschaftliche Aspekte. In: Lanzerath, D. / Giese, B. / Jaeckel, L. (Hg.): Synthetische Biologie. Naturwissenschaftliche, rechtliche und ethische Aspekte. Ethik in den Biowissenschaften – Sachstandsberichte des DRZE. Bd. 20. Freiburg/München: Karl Alber, 13–51.
Max-Planck-Gesellschaft (2022): Was ist Synthetische Biologie? Online Version
Für einen Überblick über die ethischen Aspekte siehe etwa:
Lanzerath, D. (2020): Ethische Aspekte. In: Lanzerath, D. / Giese, B. / Jaeckel, L. (Hg.): Synthetische Biologie. Naturwissenschaftliche, rechtliche und ethische Aspekte. Ethik in den Biowissenschaften – Sachstandsberichte des DRZE. Bd. 20. Freiburg/München: Karl Alber, 108–154.
Max-Planck-Gesellschaft (2022): Synthetische Biologie. Die Konstruktion des Lebens. Ethik & Recht. Philosophisch-ethische Aspekte. Online Version