Kaskadennutzung und Koppelnutzung
Der Begriff ‚Kaskade‘ bezeichnet im herkömmlichen Sinne einen über Stufen oder Absätze verlaufenden, natürlichen oder künstlich angelegten Wasserfall – etymologisch entstammt der Terminus dem Italienischen (ital. cascare: fallen).
Diesem Wortursprung entsprechend ist unter Kaskadennutzung im Kontext von Ressourcennutzung eine Methode zu verstehen, um Ressourcen bzw. daraus hergestellte Produkte in nacheinander geordneten Schritten mit jeweils verringerten Anforderungen an die Rohstoff- bzw. Produkteigenschaften so lange, so häufig und so effizient wie möglich stofflich zu verwerten und erst dann einer energetischen Nutzung zuzuführen, wenn eine stoffliche Nutzung nicht mehr möglich ist. Dabei werden verschiedene Nutzungskaskaden durchlaufen, die von höheren hin zu tieferen Wertschöpfungsniveaus angeordnet sind. Ziel ist es hierbei, die Ressourcen bzw. daraus hergestellten Produkte möglichst lange im System zu behalten, damit das gesamte Wertschöpfungsniveau erhöht werden kann. Besonders verbreitet ist das Konzept der Kaskadennutzung in Bezug auf den Biomasserohstoff Holz, aber auch auf Abwasser.
Die Kaskadennutzung wird zuweilen auch als Mehrfachnutzung bezeichnet: Bei Biomasse und Ressourcen besteht generell oft eine Konkurrenz zwischen stofflicher und energetischer Nutzung, da dem hohen Ressourcenbedarf ein begrenztes Ressourcenangebot gegenübersteht. Bei der Strategie der Kaskadennutzung erfolgt eine mehrfache stoffliche Nutzung mit abnehmender Wertschöpfung: So soll Biomasse vor einer energetischen Verwertung so lange bzw. viel wie möglich über mehrere Kaskadenstufen hinweg stofflich genutzt werden. Erst am Ende des Kaskadenverlaufs, wenn eine stoffliche Nutzung nicht mehr möglich ist, erfolgt eine energetische Nutzung der Ressource durch in Umwandlung in Bioenergie. Durch dieses Verfahren soll eine Verbindung des Material- und Energiesektors geschaffen werden, welche sich ansonsten oft als Konkurrenzbereiche gegenüberstehen.
Diese Nutzungsstrategie soll durch effizientere Nutzung von Ressourcen ökologische wie ökonomische Vorteile mit sich bringen und einen nachhaltigen Ansatz darstellen. Vor dem Hintergrund der Flächennutzungskonkurrenz soll durch die Strategie der Kaskadennutzung eine Steigerung der Ressourceneffizienz erzielt und so eine Optimierung der Nutzung begrenzter Flächen und entsprechend begrenzter Ressourcen ermöglicht werden. Die durch Kaskadennutzung erzielte Verlängerung von Wertschöpfungsketten und Steigerung der Rohstoffproduktivität soll so insgesamt die begrenzte Primär-Ressource schonen.
Der Ansatz der Kaskadennutzung ist dabei von zweierlei Verfahren oder Strategien abzugrenzen:
Zum einen von der Koppelnutzung – die Strategie der Koppelnutzung kann entlang zweier Stränge erfolgen: Den ersten Strang stellt hier die parallele, gekoppelte Erzeugung von Produkten (stoffliche Nutzung) und Energie (energetische Nutzung) aus Biomasse dar. So werden die bei der Verarbeitung eines Rohstoffes zu einem Produkt anfallenden Prozessabfälle direkt einer energetischen Nutzung zugeführt. Im Kontext des zweiten Strangs der Koppelnutzung werden die bei der Nutzung und Verarbeitung eines Hauptrohstoffs entstehenden ‚Reste‘ nicht als Prozessabfälle angesehen, sondern wiederum als neue Nebenprodukte. Diese Nebenprodukte werden hier zu einem neuen Hauptrohstoff erklärt, der dann, gegebenenfalls über mehrere Kaskadenstufen, stofflich genutzt wird. Als Beispiel für diesen zweiten Strang lässt sich exemplarisch auf die Verarbeitung von Getreide verweisen: In der Nahrungs- und Futtermittelindustrie wird das Getreide, also das Korn an sich als Hauptrohstoff und -ressource angesehen. Im Sinne dieses zweiten Strangs der Koppelnutzung wird allerdings das bei der Getreideernte anfallende Stroh, was eigentlich ein ‚Abfallprodukt‘ darstellt, als eigener, neuer Hauptrohstoff angesehen und so etwa im Bausektor zur Dämmung stofflich verwendet.
Ebenso ist die Kaskadennutzung abzugrenzen von der Kreislaufwirtschaft (circular economy). Die Strategie der Kaskadennutzung selbst ist im eigentlichen Sinne keine echte Kreislaufführung, da die Bewegung der Prozesskette der Ressourcennutzung nicht gänzlich kreisförmig verläuft, sondern stufenförmig von einer höreren Stufe hin zu einem niedrigeren Endverwertung, der energetischen Nutzung; jedoch kann sie als ein Element einer umfassenden Kreislaufwirtschaft angesehen werden. Generell kann die Kaskadennutzung durch die Bewegungsform ihrer Prozessabläufe aber als eine Zwischenform zwischen Linearwirtschaft (Abfallwirtschaft, in welcher eine kurze und lineare Prozesskette der Ressourcennutzung von Biomasse zum Produkt und schließlich zu Deponierung oder Verbrennung ohne direkte und konsequente Wiederverwertung besteht) und Kreislaufwirtschaft gelten.
Ebenso wie bei der Kaskadennutzung sollen durch die Koppelnutzung und die Kreislaufwirtschaft sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile erzielt und die Flächennutzungskonkurrenz gemindert werden, da die Potenziale der begrenzen Ressourcen möglichst lange und effizient ausgeschöpft werden.
Für weitere Informationen siehe etwa:
NRW.Energy4Climate (2023): Nachhaltiger Einsatz von Biomasse. Die Rolle von Biomasse in der Energiewende und in einer klimaneutralen Industrie. Online Version
Umweltbundesamt (2021): Nachhaltige Nutzung biotischer Rohstoffe. Online Version
Umweltbundesamt (2020): Leitsätze einer Kreislaufwirtschaft. Online Version
Umweltbundesamt (2017): Biomassekaskaden. Mehr Ressourceneffizienz durch Kaskadennutzung von Biomasse – von der Theorie zur Praxis. Endbericht. Texte 53/2017. Online Version
Umweltbundesamt (2017): Biomassekaskaden. Mehr Ressourceneffizienz durch Kaskadennutzung von Biomasse – von der Theorie zur Praxis. Kurzfassung. Texte 53/2017. Online Version
VDI Zentrum für Ressourceneffizienz (o. J.): Kaskadennutzung. Online Version
Arnold, K. / Von Geibler, J. / Bienge, K. / Stachura, C. / Borbonus, S. / Kristof, K. (2009): Kaskadennutzung von nachwachsenden Rohstoffen: Ein Konzept zur Verbesserung der Rohstoffeffizienz und Optimierung der Landnutzung. Wuppertal Papers 180. Hg. v. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH. Online Version
Für konkrete Informationen bezüglich der Kaskadennutzung von Holz siehe:
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) (2022): Kaskadennutzung und Kreislaufwirtschaft. Online Version