Keimbahntherapie und Embryonenschutzgesetz
Jenseits des übergreifenden Schutzes einschlägiger Grundrechte (wie etwa des Grundrechts auf Forschungsfreiheit oder auf den Schutz des Lebens) wird die Erforschung und etwaige Anwendung einer Keimbahntherapie in Deutschland maßgeblich von dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) reguliert. Als Strafrecht ist die zentrale Funktion dieses Gesetzes, Embryonen vor einem missbräuchlichen Umgang zu schützen.
Als Keimzellen definiert das ESchG in §8 Abs. 3 „alle Zellen, die in einer Zell-Linie von der befruchteten Eizelle bis zu den Ei- und Samenzellen des aus ihr hervorgegangenen Menschen führen, ferner die Eizelle vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung.“ Im Hinblick auf die Forschung an der Keimbahntherapie wie auch im Hinblick auf andere Forschungsbereiche untersagt das ESchG die sogenannte verbrauchende Embryonenforschung, d. h. das explizite Erzeugen von Embryonen zu Forschungszwecken und das anschließende Verwerfen derselben.
Hinsichtlich der Keimbahntherapie enthält §5 Abs. 4 ESchG das Verbot der Veränderung der Erbinformation einer Keimzelle sowie ihrer Nutzung zur Befruchtung, wobei bereits der Versuch hiervon strafbar ist. Von diesem Verbot ist eine Reihe von Vorgängen ausgenommen: Die Veränderung von Erbinformationen an Keimzellen ist dann zulässig, wenn die Keimzelle außerhalb eines menschlichen Körpers vorliegt und nicht für eine spätere Befruchtung verwendet wird. Ebenfalls zulässig ist die Veränderung der Erbinformation an einer Keimzelle, die aus einem verstorbenen Menschen oder nicht weiter entwickelten Embryo entnommen wurde und nicht zur Befruchtung genutzt werden wird. Nicht strafbar ist schließlich als weitere Ausnahme eine Veränderung der Erbinformation einer Keimzelle dann, wenn sie als unbeabsichtigte Nebenwirkung einer Impfung, Bestrahlung oder Chemotherapie auftritt.
Strittig ist jenseits dessen, inwieweit das ESchG infolge seiner auf den Wortlaut beschränkten Reichweite die Forschung zur Veränderung von Keimzellen von sogenannten tripronuklaren Embryonen zulässt. Ebenfalls strittig ist, ob das ESchG in seinem Verbot auch die Veränderung und anschließende Verwendung zur Befruchtung von Vorläuferzellen von Keimzellen einschließt, die artifiziell über das Verfahren der Reprogrammierung gewonnen wurden. Abgesehen von diesen umstrittenen Anwendungsfällen lässt sich aus dem ESchG insgesamt ableiten, dass in Deutschland die weiterführende klinische Erforschung und Anwendung der Keimbahntherapie gesetzlich verboten ist.
Siehe weiterführend zur Regulierung unbeabsichtigter Keimbahnveränderungen sowie zu den strittigen Anwendungsfällen:
Albrecht, S. / König, H. / Sauter, A. (2021): Genome Editing am Menschen. Endbericht zum Monitoring. TAB-Arbeitsbericht Nr. 191. Berlin: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB): 158. Online Version
Deutscher Ethikrat (2019): Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Stellungnahme: 97 ff. Online Version
Siehe für Einblicke in die einschlägigen Grundrechte (Würde, Persönlichkeitsrecht, Gesundheitsschutz, Lebensschutz, Forschungsfreiheit) und deren Auslegung:
Albrecht, S. / König, H. / Sauter, A. (2021): Genome Editing am Menschen. Endbericht zum Monitoring. TAB-Arbeitsbericht Nr. 191. Berlin: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB): 174ff. Online Version
Siehe weiterführend zum gesetzlichen Verbot der Keimbahntherapie auch:
Duttge, G. (2013): Rechtliche Aspekte. In: Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) (Hg.), Gentherapie. Medizinisch-naturwissenschaftliche, rechtliche und ethische Aspekte. Freiburg i. B.: Alber, 64–66.