Stadien der Einwilligungsfähigkeit
Laut der Definition des Berichts Children and Clinical Research des Nuffield Council on Bioethics (NCOB) (2015) bestehen signifikante Unterschiede hinsichtlich des Konzepts der „Kindheit“ in Bezug auf die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger. Dem Bericht zufolge ist es nicht ausreichend, lediglich zwischen Altersstufen zu differenzieren, um die Fähigkeit zur Einwilligung zu antizipieren. Vielmehr sei das Zusammenspiel kognitiver, intellektueller und emotionaler Entwicklungsprozesse der minderjährigen Person ausschlaggebend, mit denen sie komplexen Entscheidungen unter zeit- und situationsabhängigen Rahmenbedingungen gegenübersteht.
Vor diesem Hintergrund hat das NCOB drei verschiedene Stadien der Entscheidungsfähigkeit minderjähriger Personen definiert:
Stadium 1:
Kinder und Jugendliche, die nicht fähig sind, sich ein qualifiziertes Urteil darüber zu bilden, ob sie an medizinischer Forschung teilnehmen möchten. In diesem Fall können Minderjährige zwar emotionale und affektive Reaktionen auf den Forschungsprozess ausdrücken, jedoch nicht reflektiert an der Entscheidungsfindung über ihre Teilnahme mitwirken.
Stadium 2:
Kinder und Jugendliche, die zwar über die Fähigkeit verfügen, differenzierte Wünsche und Einstellungen zu entwickeln, jedoch nicht bereit oder fähig sind, eigenständig – also ohne Unterstützung – eine qualifizierte Einschätzung bezüglich des Inhalts, des Nutzens und der Risiken einer Studienteilnahme zu treffen. In diesen Fällen bedarf es einer individuellen Abwägung darüber, inwieweit die intrinsisch gebildeten Wünsche und Abneigungen als qualifiziert betrachtet werden können. Ungeachtet dessen ist eine unterstützende Begleitung durch Erziehungsberechtigte und medizinische Fachkräfte essenziell.
Stadium 3:
Minderjährige, die bereits über die intellektuelle und emotionale Reife verfügen, qualifizierte Entscheidungen zu treffen. Sie sind in der Lage, sowohl die Bedingungen und Inhalte der jeweiligen Forschung als auch deren potenzielle Risiken und zukünftige Konsequenzen zu erfassen und einzuschätzen. Diese Personen gelten als entscheidungsfähig, bleiben jedoch rechtlich minderjährig, also schutzbedürftig.
Die beschriebenen Stadien der Einwilligungsfähigkeit korrelieren nicht immer mit dem kalendarischen Alter und können sich individuell unterschiedlich entwickeln. Sie verlaufen somit auch nicht zwangsläufig linear. Diese Definition soll Behandelnden daher eine Hilfestellung zur adäquaten Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger an die Hand geben, unabhängig von einer bloßen Ausrichtung am Lebensalter.
Nuffield Council on Bioethics (2015). Children and Clinical Research: Ethical Issues. https://cdn.nuffieldbioethics.org/wp-content/uploads/Children-and-clinical-research.pdf (siehe insb. S. 100f.)