Xenotransplantation
Als Xenotransplantation wird die Übertragung von funktionsfähigen Zellen, Geweben oder Organen zwischen verschiedenen Spezies, im Besonderen von Tieren auf den Menschen, bezeichnet. Damit steht dieser Begriff dem der allogenen Transplantation (Transplantation, bei der Spender*in und Empfänger*in der gleichen Spezies angehören) gegenüber. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden erste Versuche statt, Organe von Menschen durch tierische zu ersetzen. Die erste erfolgreiche Xenotransplantation wurde schließlich im Jahr 1963 durchgeführt: Der Chirurg Keith Reemtsma verpflanzte insgesamt sechs erkrankten Personen Schimpansen-Nieren, von denen jedoch keine länger als neun Monate funktionsfähig war. Seit 1990 werden vermehrt tierische Zellen und Gewebe vom Schwein transplantiert. Es eignet sich aus anatomischen und physiologischen Gründen besonders gut als Spender, da seine Organe eine mit dem Menschen vergleichbare Größe und Organfunktion aufweisen und die Tierhaltung und Zucht zudem relativ einfach sind. Hirnzellen des Schweins werden zur Behandlung von Personen, die an Parkinson erkrankt sind, eingesetzt, Inselzellen zur Behandlung von Diabetes sowie Leberzellen bei Leberversagen.
Wie jede experimentelle Therapie ist die Xenotransplantation mit Problemen und Risiken behaftet. Wegen der phylogenetischen Distanz zwischen Mensch und Tier treten Abstoßungsreaktionen bei Xenotransplantationen im Vergleich zu allogenen Transplantationen in der Regel schneller und heftiger auf. Mit den zurzeit zur Verfügung stehenden Immunsuppressiva gelingt es nicht die Abstoßung eines Xenotransplantats dauerhaft zu unterdrücken. Die Chance auf eine erfolgreiche Xenotransplantation soll durch gezielte genetische Veränderungen, unter anderem der Gewebefaktoren von Schweinen, erhöht werden. Generell ist ungeklärt, ob Schweineorgane und andere tierische Transplantate die Funktion menschlicher Organe längerfristig und zuverlässig ersetzen können. So könnte u.a. die aufrechte Haltung des Menschen einen unvorhersehbaren Einfluss auf die transplantierten Schweineorgane haben.
Im Mai 2022 veröffentlichte ein Forschungsteam eine Studie, bei der zwei hirntoten Menschen Schweinenieren samt Gewebsanteilen des Thymus transplantiert wurden. Der Thymus ist ein Organ, das Immunzellen produziert und von dessen Transplantation man sich eine verbesserte Akzeptanz der transplantierten Schweinenieren erhoffte. Die Schweine waren zudem gentechnisch verändert worden, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Dazu wurde ein Gen deaktiviert, das ein bestimmtes, bei Menschen Abstoßungsreaktionen hervorrufendes Protein (alpha-1,3-galactosyltransferase) produziert. Der Studienzeitraum betrug 54 Stunden, währenddessen die Nieren normal funktionierten und keine Abstoßungsreaktionen zu beobachten waren. Einige Monate zuvor hatte ein anderes Wissenschaftsteam einem hirntoten Menschen ebenfalls Nieren eines gentechnisch veränderten Schweins transplantiert. Auch in diesem Fall waren über den Studienzeitraum von 74 Stunden keine Abstoßungsreaktionen zu beobachten, allerdings war die Nierenfunktion eingeschränkt.
Einige Forschende sehen die beiden Studien kritisch. Im Falle der ersten Studie wurde eingewandt, dass die Studienresultate nicht aussagekräftig seien, weil die „Thymusnieren“ zusätzlich transplantiert wurden und der hirntote Patient noch seine eigenen Nieren besaß – es könne daher nicht mit Sicherheit bestimmt werden, ob das Urin von den Schweinenieren oder den menschlichen Nieren produziert worden war. Gegen beide Studien wurde die allgemeine Kritik geäußert, dass die Studienzeiträume sehr kurz gewesen seien und nicht ausgeschlossen werden könne, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch Abstoßungsreaktionen aufgetreten wären.
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer zur Xenotransplantation. Online Version
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