Patient*innenautonomie in der Psychiatrie
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im Juni 2012 mit der Frage der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung auseinandergesetzt. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass es keine Rechtsgrundlage für die Zwangsbehandlung von zu behandelnden Personen gebe, denen krankheitsbedingt die Fähigkeit zur freien Willensbildung und infolgedessen möglicherweise die Einsicht in die Behandlungsnotwendigkeit fehlt. Diese Situation kommt insbesondere im Umgang mit zu behandelnden Personen vor, die aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage sind, über die Erforderlichkeit einer medizinischen Behandlung zu entscheiden. Weil jede Anwendung von Zwang ein schwerwiegender Eingriff in die psychische und körperliche Integrität der zu behandelnden Person darstellt, muss diese aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht gerechtfertigt sein. Der Deutsche Bundestag hat daher am 17. Januar 2013 mit dem „Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in ärztliche Zwangsmaßnahmen“ eine rechtliche Grundlage für Zwangsmedikationen geschaffen. Nach dieser Neuregelung sind die rechtlichen Hürden für eine Zwangsbehandlung zum Schutz der Selbstbestimmung hoch angesetzt worden. Zunächst soll um die Einwilligung der zu behandelnden Person in die geplante Maßnahme ersucht werden. Maßnahmen gelten dann als erforderlich, wenn die zu behandelnde Person ansonsten erheblicher gesundheitlicher Schaden droht. Davon unberührt hat zu behandelnde Person die Möglichkeit, durch Verfügung festzulegen, wie sie behandelt werden möchte, wenn sie vorübergehend nicht zu einer Entscheidung fähig ist. Für den Fall einer psychiatrischen Erkrankung werden speziell darauf zugeschnittene psychiatrische Patient*innenverfügungen empfohlen. Um den Patient*innenwillen in Notsituationen (etwa bei einer Psychose) ermitteln zu können, kann auch das Tragen eines „Krisenpasses“ oder eine Behandlungsvereinbarung hilfreich sein. Ethische Prinzipien ärztlichen Handelns bei einer Zwangsbehandlung von psychisch Kranken hat die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer formuliert.
Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme. Online Version
Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten bei der Bundesärztekammer – Zwangsbehandlung bei psychischen Erkrankungen. Online Version