Invasive Methoden der PND
Mit dem Begriff Pränataldiagnostik werden unterschiedliche Verfahren (invasive und nicht-invasive Methoden) vorgeburtlicher Diagnostik bezeichnet. Die Verfahren dienen dazu, Risikoschwangerschaften, Risikogeburten und Gesundheitsstörungen frühzeitig zu erkennen und somit Gefahren für Leben und Gesundheit des austragenden Elternteils und des Kindes rechtzeitig abzuwenden.
Sicherere Ergebnisse liefern im Gegensatz zu den nicht-invasiven Untersuchungsmethoden die invasiven PND-Verfahren, zu denen die ärztliche Fachkraft dem schwangeren Elternteil im Verdachtsfall im Anschluss an nicht-invasive Untersuchungen raten kann. Zu ihnen zählen vor allem die folgenden drei Verfahren:
- Bei der Chorionzottenbiospie handelt es sich um die frühestmögliche Form der invasiven PND. Hierbei entnimmt die ärztliche Fachkraft frühestens ab der 9., in der Regel aber erst ab der 11. Schwangerschaftswoche Gewebeteile aus dem Chorion (der kindliche Anteil der noch nicht voll entwickelten Plazenta), um eventuelle genetische Auffälligkeiten oder bestimmte Stoffwechselerkrankungen des Kindes erkennen zu können. Gewebeteile werden entweder mithilfe einer Nadel gewonnen, die durch die Bauchdecke der schwangeren Person eingeführt wurde, oder durch das Einführen eines dünnen Kunststoffschlauchs über den Gebärmutterhals. Bei beiden Methoden wird zur Vermeidung einer Verletzung des Kindes seine Lage sowie die Lage von Nadel und Schlauch mittels Ultraschall bestimmt. Werden bei dieser Untersuchung Erkrankungen des Kindes diagnostiziert, so sind dies meist Krankheiten, zu denen es keine Therapie im Sinne einer ursächlichen Heilung gibt. Die Konsequenz aus einem solchen Krankheitsbefund ist daher entweder, dass die Eltern das Kind mit seinen diagnostizierten Eigenschaften annehmen, oder dass sie das Kind nach der Geburt zur Adoption freigeben bzw. sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.
- Bei der Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung), die häufig zwischen der 15. und 16. Schwangerschaftswoche stattfindet, wird, indem unter Ultraschall eine Nadel durch die Bauchdecke in die Fruchtblase eingeführt wird, Fruchtwasser entnommen, um darin befindliche, vom Fetus abgestoßene Zellen zu untersuchen. Zur Chromosomenanalyse werden diese Zellen im Labor vermehrt. Über nicht therapierbare Daten wie z. B. chromosomale Anomalien hinaus liefert diese Untersuchungsmethode weitere, therapierbare Befunde wie beispielsweise Blutgruppenunverträglichkeiten der austragenden Person und des Kindes oder Lungenreife im Falle einer drohenden Frühgeburt.
- Die Cordozentese (Nabelschnurpunktion) ist etwa ab der 14. Schwangerschaftswoche möglich. Hierbei wird durch Punktion Blut aus der Nabelschnur entnommen und auf seine Zusammensetzung hin untersucht. So ist es möglich z. B. bei Vorliegen von auffälligen Blutwerten der austragenden Person oder entsprechenden Ultraschallbefunden Blutarmut, Infektionen, Blutgruppenunverträglichkeiten etc. auszuschließen oder zu diagnostizieren.
Die invasiven Verfahren der PND sind im Vergleich zu nicht-invasiven Verfahren zwar verlässlicher, aber auch deutlich risikoreicher. Denn während die nicht-invasiven Verfahren als weitestgehend ungefährlich eingestuft werden, weist der Nationale Ethikrat in seiner Stellungnahme „Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft” aus dem Jahr 2003 ausdrücklich auf die Gefahren von Infektionen, Blutungen und wehenartigen Schmerzen bei dem schwangeren Elternteil und Verletzungsrisiken bei dem Ungeborenen hin, die mit der Durchführung von invasiven Pränataldiagnostikverfahren verbunden sind.
Die invasiven Verfahren der PND sind die risikoreichsten pränatalen Untersuchungsmethoden. Die Risiken einer Fehlgeburt nach invasiven Verfahren liegen bei der Chorionzottenbiopsie mit Zugang durch den Gebärmutterhals bei zwei bis vier Prozent und mit Zugang durch die Bauchdecke bei eins bis zwei Prozent. Bei der Fetalblutpunktion liegt das Risiko bei über einem Prozent. Beim Verfahren der Amniozentese liegt das Fehlgeburtrisiko bei unter einem Prozent.
Nach dem „Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (GenDG)” muss dem betreffenden austragenden Elternteil ab 2012 eine genetische Beratung angeboten worden sein, bevor eine diagnostische genetische Untersuchung durchgeführt werden darf. Diese Beratung darf nur von speziell hierfür qualifiziertem medizinischen Fachpersonal durchgeführt werden.
Gendiagnostikgesetz: Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (GenDG) vom 31. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt 2009 I, 2529, 3672), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 4. November 2016 (Bundesgesetzblatt 2016 I, 2460). Online Version
Mutterschafts-Richtlinien – Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung in der Fassung vom 16. September 2021. Online Version
Stellungnahme des Nationalen Ethikrats (2003): „Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft”. Online Version
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2008): Pränataldiagnostik - Informationen über Beratung und Hilfen bei Fragen zur vorgeburtlichen Untersuchungen. Köln: Bachem.
Methoden und Ziele der einzelnen PND-Methoden stellen vor:
o. A. (2007): Pränataldiagnostik. In: Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 261. Auflage. Berlin / New York: De Gruyter, 1548.
Schroeder-Kurth, Traute (1998): Pränatalmedizin. Diagnostik. In: Lexikon der Bioethik Bd. 3, hg. von Wilhelm Korff, Lutwin Beck und Paul Mikat. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 44–51.
Zum Risiko einer Fehlgeburt nach Chorionzottenbiopsie siehe:
Schroeder-Kurth, Traute (1998): Pränantalmedizin. Diagnostik. In: Lexikon der Bioethik Bd. 3, hg. von Wilhelm Korff, Lutwin Beck und Paul Mikat. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 44–51.
Zum Risiko einer Fehlgeburt nach Fetalblutpunktion siehe:
Tongsong, T. et al. (2001): Fetal loss rate associated with cordocentesis at midgestation. In: American Journal of Obstetrics and Gynaecology 184, 719–723.
Zum Risiko einer Fehlgeburt nach Amniozentese siehe:
Bundesärztekammer (1998): Richtlinien zur pränatalen Diagnostik von Krankheiten und Krankheitsdispositionen. In: Ärzteblatt 95, A3236–3242. Online Version