Organtransplantation
Stand: Mai 2023
Ansprechpartner: Marius Bartmann
Als Transplantation wird in der Medizin die Verpflanzung (lat. transplantare = verpflanzen) von Organen, Körperteilen, Geweben und Zellen zu therapeutischen Zwecken bezeichnet. Grundsätzlich muss zwischen autologen und allogenen Transplantationen unterschieden werden. Bei einer autologen Transplantation wird Gewebe oder Zellmaterial von einer Stelle des Körpers zu einer anderen verpflanzt, d.h. die spendende Person ist zugleich die empfangsberechtigte Person des Transplantats. Von einer allogenen Transplantation hingegen spricht man dann, wenn die spendende Person und die empfangende Person verschieden sind, wenn also Organe, Gewebe oder Zellen von einer lebenden oder verstorbenen spendenden Person auf eine empfangende Person (derselben Spezies) übertragen werden. Differenziert wird zudem zwischen der syngenen Transplantation, welche zwischen eineiigen Zwillingen stattfindet, der Xenotransplantation, bei der z.B. Transplantate von Tieren auf Menschen übertragen werden, und der alloplastischen Transplantation, bei der künstliches Material in den Körper eingebracht wird, um die Funktion menschlicher Organe zu unterstützen oder zu ersetzen.
Geschichte der Transplantationsmedizin
Hinweise auf erste Versuche von Transplantationen finden sich bereits in frühen Mythologien, doch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts schufen gefäßchirurgische und operationstechnische Fortschritte die Voraussetzungen für wissenschaftlich fundierte Transplantationen. Die erste erfolgreiche Transplantation einer Niere wurde 1954 zwischen eineiigen Zwillingen in den USA durchgeführt. 1963 wurden die erste Leber sowie die erste Lunge erfolgreich transplantiert. 1965 gelang die Übertragung einer Bauchspeicheldrüse. Weltweite Aufmerksamkeit erlangte die erste Herztransplantation im Dezember 1967, durchgeführt von Christiaan Barnard in Südafrika. 1989 gelang die erste Multiorgantransplantation. Probleme, die Transplantationen anfänglich erschwerten, wie beispielsweise fehlende Konservierungsmöglichkeiten entnommener Organe oder immunologische Abwehrreaktionen der empfangenden Person konnten durch zunehmende Erfahrung sowie die Entwicklung immunsuppressiver Medikamente teilweise überwunden werden.
Forschungsstand
Die Transplantationsmedizin ist inzwischen in vielen Ländern als Standard ärztlichen Handelns professionell etabliert. Vor allem bei Organversagen im Endstadium, dem sogenannten terminalen Organversagen, ist eine Organtransplantation zumeist die einzige Behandlungsmöglichkeit. Aus medizinischer Sicht können mittlerweile eine Vielzahl von verschiedenen Zellen, Gewebeteilen, Organen, oder ganzen Organsystemen transplantiert werden.
Eine Transplantation kann grundsätzlich nur dann gelingen, wenn das Transplantat vom Empfängerorganismus nicht abgestoßen wird. Die Transplantation körperfremder Organe kann im Empfängerorganismus immunologische Abwehrreaktionen auslösen, die zur Folge haben, dass das Organ seine Funktion nicht aufnehmen kann. Unterschieden wird zwischen der akuten Abstoßungsreaktion, die unterschiedlich stark ausgeprägt in der ersten Zeit nach der Transplantation auftritt, und der chronischen Abstoßung, bei der das Transplantat nach und nach versagt. Um die Funktionsfähigkeit des transplantierten Organs erhalten zu können, muss die körpereigene Abwehr mit Hilfe von immunsuppressiven Medikamenten dauerhaft unterdrückt werden, was eine hohe Mitarbeit der zu behandelnden Person erfordert.
Neben dem Versagen oder der Abstoßung des übertragenen Organs oder Gewebes, kann die Transplantation auch zu einer sogenannten Graft-versus-host-Reaktion führen, wenn die mit dem Transplantat übertragenen Immunzellen den Körper der empfangenden Person als fremd erkennen und angreifen.
Auch bei Xenotransplantationen besteht die größte Hürde für eine erfolgreiche, langfristige Transplantation in Immunreaktionen gegen das Spenderorgan. Moderne Verfahren der Genomeditierung, insbesondere die Gen-Schere CRISPR/Cas9, haben entscheidend dazu beigetragen, Schweineherzen gentechnisch so zu verändern, dass das Risiko von Abstoßungsreaktionen des Empfängerorganismus signifikant verringert wird (vgl. hierzu auch den Blickpunkt Genomeditierung in der Humanmedizin).
Ein bedeutender Fortschritt im Bereich der Xenotransplantation wurde Anfang 2022 erzielt. Erstmals wurde einem Patienten das Herz eines gentechnisch veränderten Schweins transplantiert. Bei der gentechnischen Veränderung wurden zum einen Gene deaktiviert, die Abstoßungsreaktionen des menschlichen Immunsystems hervorrufen können. Zum anderen wurden menschliche Gene hinzugefügt, die die Akzeptanz des körperfremden Organs erhöhen. Schließlich wurden gentechnische Veränderungen vorgenommen, die verhindern, dass das Schweineorgan auf Wachstumshormone reagiert und sich über das menschliche Normalmaß hinaus vergrößert. Der Patient überlebte 2 Monate. Die genaue Todesursache ist noch nicht vollständig geklärt, ein Faktor war vermutlich eine zunächst unentdeckt gebliebene Virusinfektion des Schweineherzens. Dennoch wird die Transplantation als Meilenstein der Xenotransplantation angesehen.
Organbedarf und -mangel
Dem Organbedarf steht seit Jahren eine viel zu geringe Zahl an Organspenden gegenüber. Allein in Deutschland wurden laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) im Jahr 2023 insgesamt 2.877 postmortal gespendete Organe transplantiert, jedoch wurden 8.716 Organe für Patient*innen auf der Transplantationsliste benötigt.
Nach Einschätzung der DSO haben zum einen die im Jahr 2012 bekannt gewordenen Richtlinienverstöße bei der Organvergabe zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in das Transplantationswesen geführt: Überprüfungen hatten ergeben, dass in einzelnen Transplantationskliniken Daten manipuliert worden waren, um Patient*innen schneller zu einem Spenderorgan zu verhelfen. Zum anderen wird auch in der zunehmenden Bedeutung von Patientenverfügungen eine mögliche Ursache für rückläufige Spenderzahlen gesehen, da es zu Konflikten zwischen Patientenverfügungen und Organspendeerklärungen kommen kann. Dies ist dann der Fall, wenn ein*e Patient*in eine grundsätzliche Organspendebereitschaft dokumentiert, gleichzeitig jedoch in einer Patientenverfügung der Durchführung lebenserhaltender Maßnahmen widersprochen hat. Der Konflikt entsteht dadurch, dass eine Organtransplantation – von der Hirntoddiagnostik bis zur potenziellen Spende – lebenserhaltende Maßnahmen voraussetzt.
Einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zufolge hatten 2022 zwar 84% der Befragten eine positive Einstellung zur Organ- und Gewebespende, aber nur 44% haben ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis auch dokumentiert. Die Politik setzt daher auf eine breite Aufklärung der Bevölkerung über Stellenwert und Möglichkeiten der Organspende. Eine zentrale Maßnahme war die Einführung der sogenannten Entscheidungslösung im Jahr 2012. Diese sieht vor, dass alle Krankenversicherten über dem 16. Lebensjahr regelmäßig nach ihrer Bereitschaft zur Organspende befragt werden. Allerdings haben in der erwähnten Umfrage der BZgA nur 54% angegeben, zu dem Thema ausreichend informiert zu sein.
Weil sich der Bedarf an Organen wahrscheinlich auch dann nicht vollständig abdecken ließe, wenn die Organspendebereitschaft erheblich größer wäre, ist es wichtig, auch alternative Formen der Transplantatgewinnung zu nutzen und weiterzuentwickeln. Bei einigen Organen wie den Nieren und der Leber kann auf die Möglichkeit der Lebendspende zurückgegriffen werden. Weitere Alternativen zur postmortalen Organspende liegen in der Entwicklung künstlicher Organe (alloplastische Transplantation), der Nutzung tierischer Organe (Xenotransplantation) oder der Erzeugung von Organen aus Stammzellen. Weil sich diese Möglichkeiten der Organgewinnung noch in der Entwicklung befinden und teilweise ethisch umstritten sind, gibt es zusätzlich immer wieder Vorstöße, die Organspende zu kommerzialisieren. Modelle zur Kommerzialisierung setzen sowohl bei der Lebendspende als auch bei der postmortalen Organspende an. In Großbritannien sorgte 2011 ein vom Nuffield Council on Bioethics vorgeschlagenes Modell für Aufsehen: Für Organspendende solle das staatliche Gesundheitssystem die Beerdigungskosten übernehmen. Solche Vorstöße werden jedoch überwiegend kritisch gesehen. So lehnen die Vereinten Nationen (UN) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) jegliche Kommerzialisierung von Organspenden unter Verweis auf die Menschenrechte ab – auch wenn die Organknappheit zunehmend zu illegalem Organhandel führt.
Organspende in Deutschland
In Deutschland ist die Transplantation menschlicher Organe in dem Gesetz über die „Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben“ (Transplantationsgesetz) geregelt. Dieses wurde am 05. November 1997 vom Deutschen Bundestag verabschiedet, trat am 01. Dezember 1997 in Kraft, wurde am 04. September 2007 in einer neuen Fassung veröffentlicht und am 01. August 2012 reformiert. Je nachdem, ob die Organe postmortal oder aber einer lebendspendenden Person entnommen werden, schreibt es unterschiedliche Regelungen vor.
Grundsätzlich gilt in Deutschland die Entscheidungslösung, das heißt, ein Organ einer verstorbenen Person darf grundsätzlich nur dann entnommen werden, wenn ihre Zustimmung zur Organspende (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 TPG), beispielsweise in Form eines Organspendeausweises oder durch deren Angehörige (§ 4 TPG) vorliegt. Nach jahrelangen Diskussionen um die Einführung einer Widerspruchslösung, um der niedrigen Zahl der Organspenden entgegenzuwirken, wurde die bereits zuvor bestehende Entscheidungslösung am 16. Januar 2020 durch den Bundestag im Wesentlichen bestätigt. Das entsprechende „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ trat am 1. März 2022 in Kraft. Die bislang geltende Entscheidungslösung wird beibehalten, der zufolge die Organspende eine bewusste und freiwillige Entscheidung sein muss. Zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft sieht das Gesetz die Einführung eines Online-Registers vor, in dem Bürger*innen ihre Entscheidung festhalten können. Darüber hinaus soll das hausärztliche Fachpersonal regelmäßig die von ihnen behandelten Personen dazu ermutigen, in diesem Online-Register ihre Entscheidung zu dokumentieren, was künftig zusätzlich auch in Ausweisstellen möglich sein soll. Bereits im April 2019 wurde das Zweite Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes (GZSO) verabschiedet.
Ablauf einer postmortalen Organspende in Deutschland
Das Transplantationsgesetz legt fest, dass vor allem drei Parteien an der Organisation einer postmortalen Organspende maßgeblich beteiligt sein müssen: erstens die Entnahmekrankenhäuser und Transplantationszentren, zweitens die Koordinierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) und drittens die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant.
Aufgabe des medizinischen Fachpersonals im Krankenhaus ist es, den Hirntod gemäß der Richtlinien der Bundesärztekammer zu diagnostizieren, ein Gespräch mit den Angehörigen zu führen und die nächstgelegene Organisationszentrale der DSO zu informieren, wenn eine Zustimmung zur Organspende vorliegt – entweder durch das Vorliegen eines Organspendeausweises oder durch die Bekanntgabe des Willens der verstorbenen Person durch die Angehörigen. Aufgabe der DSO ist es, die Organentnahme zu koordinieren. Zum Schutz der Person, die das Organ empfängt, führt sie zunächst Laboruntersuchungen durch. Wenn bei dem Verstorbenen keine Infektionen oder Tumorerkrankungen vorliegen, die den Organempfänger gefährden könnten, dann übermittelt die DSO alle erforderlichen Daten an Eurotransplant, welche eine computergestützte Auswahl der empfangenden Person vornimmt.
Sobald die Wahl der Person, die das Organ empfängt, entschieden ist, bereitet Eurotransplant gemeinsam mit der DSO und dem regionalen Koordinator des Spendendenkrankenhauses die Entnahme des Organs vor. Gleichzeitig wird der Transport des Organs vom Spendendenkrankenhaus zur betreffenden Transplantationsklinik der empfangenden Person in die Wege geleitet. Die DSO erstattet die Personal- und Sachkosten, die durch eine Organspende anfallen. Die Kosten für die Transplantation des Spenderorgans übernimmt die Krankenversicherung der Person, die das Organ empfängt. Grundsätzlich wird dieser Person der Name der spendenden Person nicht mitgeteilt. Auch die Angehörigen der Person, die das Organ spendet, erfahren nicht, wer ein gespendetes Organ erhalten hat. Das Transplantationszentrum teilt den Angehörigen auf Wunsch jedoch mit, ob das Organ bzw. die Organe erfolgreich transplantiert werden konnten.
Ablauf einer Lebendspende in Deutschland
Eine Alternative zur postmortalen Spende ist die Lebendspende. Gemäß dem deutschen Transplantationsgesetz ist die Lebendspende der Niere, Teile der Leber und anderer nicht regenerationsfähiger Organe, nur unter nahen Verwandten und einander persönlich verbundenen Menschen erlaubt. Um sicherzustellen, dass sie auf freiwilliger Basis und mit möglichst geringem medizinischem Risiko für die organspendende Person erfolgt und um jeglichen Missbrauch oder Organhandel zu verhindern, muss eine Gutachterkommission jede Lebendspende im Vorfeld umfassend prüfen.
Neben umfangreichen Laboruntersuchungen in denen medizinische Faktoren wie Blutgruppe und HLA-Übereinstimmung ermittelt werden, werden auch Belastungsuntersuchungen und organspezifische Funktionstests durchgeführt. Außerdem wird mit Hilfe psychologischer Gespräche untersucht, in welcher Beziehung die spendende und die empfangende Person zueinander stehen, was die spendende Person zu ihrem Vorhaben motiviert und ob sie sich über die möglichen Folgen des Organverlusts bewusst ist.
Die Erfolgsaussichten einer Lebendspende sind im Allgemeinen deutlich besser als bei der postmortalen Organspende, da eine optimale Koordination zwischen der spendenden und der empfangenden Person möglich ist. Seit Inkrafttreten des TPG-Änderungsgesetzes und der Modifikation des SGB V verschwindet nun auch die Rechtsunsicherheit bezüglich der Nachsorge der lebendspendenden Person: Die Person, die das Organ spendet, hat umfassende Ansprüche gegenüber der Krankenkasse der empfangenden Person, u.a. auf Übernahme der Kosten der Vor- und Nachsorge, Rehabilitation und Lohnfortzahlung während der Arbeitsunfähigkeit.
Die neuen Möglichkeiten der Transplantationsmedizin werfen ethische Fragen auf. Je nach Ursprung der Transplantationsorgane, ob diese also aus postmortalen Organspenden, Lebendspenden oder von Tieren (Xenotransplantation) gewonnen werden, stellen sich ganz spezifische Probleme. Zentrale Themen der ethischen Debatte betreffen den Begriff und Zeitpunkt des Todes, Kriterien der gerechten Organallokation und die Freiwilligkeit der Organspende.
Ethische Fragen bei der Gewinnung postmortal gespendeter Organe
Bei der postmortalen Spende steht in ethischer Perspektive vor allem die Frage im Mittelpunkt, wann Eingriffe in den menschlichen Körper zum Zwecke der Organentnahme ethisch vertretbar sind.
Die gesicherte Todesfeststellung
Mit Blick auf die postmortale Organspende wird darüber diskutiert, wann ein Mensch tot ist, wobei die Frage nach dem Todeskonzept als solche keine rein naturwissenschaftliche (medizinische), sondern immer auch eine normative (ethisch-philosophische) Frage ist. Neben dem endgültigen Herz- und Kreislaufstillstand (Herztod) gilt in Deutschland – und auch in den meisten anderen Ländern – das unwiderrufliche Erlöschen der Gehirnfunktion (Hirntod) als sicheres Todeskriterium. In den Richtlinien der Bundesärztekammer sind Verfahren und Ablauf der Hirntoddiagnostik genau festgelegt. Die Debatte über das Hirntodkriterium erreichte ihren Höhepunkt in mehreren Entwürfen zum Transplantationsgesetz und in der Verabschiedung des Gesetzes im Juni 1997, aber auch gegenwärtig wird das Hirntodkriterium wieder kontrovers diskutiert. Für den Hirntod als sicheres Kriterium zur Feststellung des Todes wird angeführt, dass mit dem Ausfall der Hirnfunktionen die den Menschen konstituierende körperlich-geistige Einheit für immer zerstört sei. Sobald der Hirntod eintrete, könne der Mensch nicht mehr denken, erkennen, entscheiden, erleben, planen, empfinden und wahrnehmen. Er könne kein Bewusstsein und auch kein Selbstbewusstsein mehr haben.
Kritische Stimmen zum Hirntod als allgemeinem Todeskriterium wenden dagegen ein, dass der Hirntod nur ein Zustand auf dem Weg zum Tod sei, also eine Phase, die noch dem erlöschenden Leben zugerechnet werden müsse. Da bei vielen Patient*innen, die die diagnostischen Kriterien des Hirntodes erfüllen, nach wie vor physiologische Reaktionen beobachtbar seien – von der Körperwärme und der Hautfarbe, über die spontanen Umarmungen durch hirntote Personen, bis hin zu Erektionen und Samenergüssen, oder gar der zeitweiligen Fortsetzung der Schwangerschaft trotz Hirntods des austragenden Elternteils – könne man nicht davon ausgehen, dass hirntote Personen in einem endgültigen Sinne tot seien. Gestützt werden die gegnerischen Stimmen des Hirntodkriteriums durch einen Bericht des US-amerikanischen President’s Council on Bioethics aus dem Jahr 2008. Der President’s Council kommt dabei zu dem Ergebnis, dass eine naturwissenschaftliche Begründung der Gleichsetzung von Tod und Hirntod nicht länger gerechtfertigt sei. Die Forschung habe gezeigt, dass die Integration des Organismus eine Leistung sei, die der Organismus als Ganzer erbringe, die sich also nicht, wie häufig angenommen, allein dem Gehirn zuschreiben lasse. Da der President's Council an der Gleichsetzung von Tod und Hirntod jedoch festhalten möchte, schlägt dieser eine alternative Begründung vor – eine naturphilosophische statt einer naturwissenschaftlichen. Bei dieser Neukonzeption steht nicht mehr im Mittelpunkt, wann ein Mensch biologisch tot ist, sondern was sein Leben ausmacht. Dabei setzt der President’s Council auf aktive Fähigkeiten des Menschen wie z. B. die Fähigkeit, Reize von der Umwelt zu empfangen und mit dieser zu interagieren. Diese Fähigkeit manifestiere sich unter anderem in der spontanen Atmung. Kritiker*innen halten jedoch eine derartige naturphilosophische Rechtfertigung des Hirntodkriteriums für problematisch, weil diese nicht falsifizierbar sei.
Durch den Bericht des President's Council entflammte auch in Deutschland die ethische Diskussion um das Hirntodkriterium erneut. Denn die Nicht-Gleichsetzung von Tod und Hirntod hätte gravierende ethische und juristische Konsequenzen. In Deutschland, wie auch in anderen Ländern, ist eine Organentnahme (die Lebendspende ausgenommen) nur von Toten erlaubt – dies besagt die sogenannte "Tote-Spender-Regel", die im Transplantationsgesetz verankert ist (§ 3 TPG). Eine Organentnahme bei Hirntoten müsste folglich als eine Form der Tötung angesehen werden, wenn Tod und Hirntod nicht gleichgesetzt würden. Möchte man aber dennoch an der Transplantationsmedizin festhalten, ohne dass Organentnahme zu einer Form der Tötung werden soll, dann gäbe es laut President's Council nur folgende zwei Alternativen:
- Die Aufgabe der "Tote-Spender-Regel".
- Die Organentnahme nach Herztod (Organentnahme ausschließlich von "non heart-beating donors").
Beide Alternativen sind jedoch ethisch und juristisch problematisch. Die Aufgabe der "Tote-Spender-Regel" bedeutete, die unbedingte Gültigkeit des Tötungsverbotes ebenfalls aufzugeben. Würden Organe nur noch von "non heart-beating donors" entnommen führte dies dazu, dass weitaus weniger Organe verpflanzt würden. Dieses Dilemma stellt auch das Motiv und den Grund dar, weshalb der President's Council als Ausweg eine Neubegründung der Gleichsetzung von Tod und Hirntod gewählt hat.
Der Deutsche Ethikrat hat sich im Februar 2015 mit einer Stellungnahme zur Kontroverse um den Hirntod geäußert. Einstimmig hält es der Deutsche Ethikrat für akzeptabel, der Einwilligung einer Person zur Organspende nach korrekt diagnostiziertem Hirntod Folge zu leisten, womit der Grundgedanke des geltenden Transplantationsgesetzes bestätigt wird. Die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Ethikrates hält den Hirntod darüber hinaus für ein hinreichendes Kriterium zur Bestimmung des menschlichen Todes. Eine Minderheit lehnt es hingegen ab, den irreversiblen Ausfall aller Hirnfunktionen mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen. Ähnlich wie der US-President’s Council hält diese Minderheit des Deutschen Ethikrates die "Tote-Spender-Regel" für entbehrlich, denn es handele sich beim Akt der Organentnahme nicht um eine Tötung, sondern vielmehr um eine akzeptable Form des selbstbestimmten Sterbenlassens. Da der Deutsche Ethikrat nicht zu einem einstimmigen Konsens gelangt ist, ist es nur konsequent, dass er in seiner Stellungnahme eine transparente Aufbereitung der verschiedenen Sichtweisen des Hirntodkriteriums für die öffentliche Debatte fordert.
Einwilligung zur postmortalen Organspende
Zur Frage steht, ob die ärztlichen Fachkräfte berechtigt sind, ohne eine zu Lebzeiten abgegebene Erlaubnis der toten Person oder ohne Zustimmung ihrer Angehörigen, Gewebe oder Organe zum Zweck der Heilung einer kranken Person aus einer Leiche zu entfernen. Hat die verstorbene Person einer Organentnahme zu Lebzeiten schriftlich oder mündlich zugestimmt, sind die ärztlichen Fachkräfte gehalten, die medizinische Umsetzbarkeit der Spendebereitschaft zu prüfen und falls möglich zu verwirklichen. Uneinigkeit besteht darüber, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen eine verstorbene Person weder eine Zustimmung noch einen Widerspruch hinterlassen hat. Im Spannungsverhältnis zwischen den öffentlichen Interessen an der Erhöhung von Organspenden und den Interessen der Verstorbenen bzw. der Angehörigen an der Wahrung der Integrität des Leichnams streben Vertretende der Widerspruchslösung einen Ausgleich an: Sie verpflichten zwar nicht zur Organentnahme, bürden der potenziell spendenden Person aber die Entscheidungslast auf.
Um die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen, halten zahlreiche Fachkundige eine Änderung des Transplantationsgesetzes für geboten. Bereits 2011 hat sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Anhörung mit der Frage befasst, ob die Zustimmungslösung bei Organspenden, wonach Menschen nur dann Organe entnommen werden dürfen, wenn sie ihre Zustimmung selbst vor ihrem Tod in einem Organspendeausweis festgehalten haben oder ihre Angehörigen einer Organentnahme nach ihrem Tod zustimmen, noch zeitgemäß ist. Die in Deutschland geltende Entscheidungslösung sieht darüber hinaus vor, dass alle Bürger*innen regelmäßig befragt werden sollen, ob sie bereit sind, ihre Organe postmortal zu spenden. Auch die oben genannte Widerspruchslösung wurde zur Sprache gebracht. Die Widerspruchslösung ist jedoch nach wie vor äußerst umstritten.
Gerechtigkeitsprobleme der Organzuteilung unter Mangelbedingungen
Ein weiteres ethisches Problem in der heutigen Transplantationsmedizin stellt die gerechte Verteilung von postmortal gespendeten Organen dar. Gefordert wird eine gerechte Organallokation unter den Bedingungen des Mangels an spendenden Personen. Zur Diskussion steht, wie mit Fällen, in denen zwei oder mehrere Personen unter medizinischen Kriterien für ein und dasselbe Spenderorgan in Frage kommen, umzugehen ist. Die Vermittlung von Organen soll sich laut Transplantationsgesetz „insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit“ (§ 12 TPG) orientieren. Diese beiden Kriterien können jedoch miteinander in Konflikt geraten. So wäre die Erfolgsaussicht einer Transplantation bei jüngeren und vergleichsweise gesunden Personen am größten, doch damit würden ältere und stärker erkrankte Personen systematisch benachteiligt. Umgekehrt würde eine einseitige Orientierung am Kriterium der Dringlichkeit eine Priorisierung von Notfällen nach sich ziehen. Die Gewichtung der beiden genannten Prinzipien lässt sich daher aus ethischer Sicht nicht eindeutig festlegen, sondern muss in einem transparenten gesellschaftlichen Prozess ausgehandelt werden.
In Deutschland werden die sogenannten vermittlungspflichtigen Organe (Herz, Lunge, Leber, Niere, Pankreas und Darm) durch die Vermittlungsstelle Eurotransplant gemäß der Richtlinien zur Organvermittlung der Bundesärztekammer verteilt. Mit Blick auf die Schwierigkeit der gerechten Organallokation wird auch über Modelle diskutiert, die vorsehen, dass Spenderorgane nur den Personen zugeteilt werden, die sich selbst bereit erklären ihre Organe postmortal zu spenden. Personen, die dieses Modell kritisieren warnen vor ungewollten Diskriminierungen, die in der praktischen Umsetzung auftreten könnten. Weitgehend Einigkeit herrscht in der Diskussion darüber, dass soziale Kriterien, wie beispielsweise die gesellschaftliche Stellung einer Person, bei der Verteilung von Organen keine Rolle spielen dürfen.
Ethische Fragen bei der Lebendorganspende
Durch die Fortschritte in der Transplantationsmedizin und dem gleichzeitigen Mangel an Organen wird die Diskussion um die Legitimität der Lebendspende derzeit verstärkt geführt. Bei der Lebendspende werden in der ethischen Diskussion erstens die spendende Person, zweitens die organempfangende Person und drittens die ärztliche Fachkraft als vermittelnde Person zwischen beiden in den Blick genommen.
Freiwilligkeit der Lebendspende
Eine Lebendorganspende setzt die freie und informierte Einwilligung der spendenden Person voraus, sie darf gemäß dem deutschen Transplantationsgesetz nur unter Verwandten ersten und zweiten Grades sowie unter einander "persönlich nahestehenden" Personen durchgeführt werden. Ziel dieser Regelung ist es, Organhandel zu vermeiden, die Freiwilligkeit der Spende sicherzustellen und den Schutz vor voreiligen Entscheidungen zu gewähren, die bei späteren Komplikationen bereut werden könnten. Da bei der Lebendspende eine gesunde Person durch eine Operation, die nicht ihr selbst dient, dem Risiko einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder sogar des Todes ausgesetzt wird, soll die Zahl der Lebendspenden in den meisten Ländern auf das zur Versorgung der Organbedürftigen unbedingt erforderliche Maß beschränkt werden. In Deutschland wird dies durch das "Prinzip der Subsidiarität der postmortalen Spende gegenüber der Lebendspende" verwirklicht. Dieses Prinzip besagt, dass eine Lebendspende nur dann zulässig ist, wenn zum Zeitpunkt der Organentnahme kein postmortal gespendetes Organ zur Verfügung steht. Die ärztliche Fachkraft darf Organe einer lebendspendenden Person nur dann entnehmen, wenn diese Kriterien der Dringlichkeit und Alternativlosigkeit erfüllt sind. Außerdem muss mithilfe physiologischer Untersuchungen sichergestellt werden, dass der Eingriff die potenziell spendende Person nicht über das normale Operationsrisiko hinaus gefährdet. Ferner muss mithilfe psychologischer Tests geklärt werden, ob die Entscheidung der spendenden Person frei und informiert zustande gekommen ist. Mit Blick auf die ärztlichen Fachkräfte wird aus ethischer Perspektive vor allem darüber diskutiert, wie der Eingriff, der der spendenden Person selbst nicht unmittelbar nützt, mit dem Nicht-Schadenprinzip (lat. nihil nocere) als klassischem Prinzip des ärztlichen Ethos in Verbindung gebracht werden kann.
Ein ethisch besonders umstrittener Fall bilden die sogenannten Retter-Geschwister. Retter-Geschwister sind Kinder, die durch künstliche Befruchtung und genetischer Selektion mittels Präimplantationsdiagnostik (PID) gezeugt werden, um ihren älteren kranken Geschwistern mit Blut-, Gewebe- oder Organspenden zu helfen (vgl. hierzu auch den Blickpunkt Präimplantationsdiagnostik). In Deutschland ist die Erzeugung eines Retter-Geschwisterkindes verboten, in manchen Ländern (z. B. Großbritannien oder Schweden) jedoch erlaubt. Die Erzeugung sogenannter Retter-Geschwister ist starker Kritik ausgesetzt und wird von vielen Seiten als erster Schritt auf dem Wege zu sogenannten „Designer-Babys” gesehen. In einigen Ländern ist die sogenannte Cross-Over-Transplantation erlaubt, bei der geeignete Paare wechselseitig Organe spenden, wenn eine Transplantation innerhalb der Partner*innenschaft mangels Kompatibilität unmöglich ist. Auch in Deutschland wurde die Crossover-Transplantation in einem konkreten Fall für zulässig erklärt, da laut Meinung des Bundessozialgerichtes von einem persönlichen Näheverhältnis zwischen der spendenden und der empfangenden Person ausgegangen werden konnte.
Ausweitung des Spenderkreises
Es besteht die Streitfrage, ob an diejenigen Personen, die Organe oder Teile von Organen zu Lebzeiten spenden, eine Geldzahlung geleistet werden sollte, um so den Kreis der spendenden Personen erweitern zu können. Von einigen Seiten wird eine solche "Anerkennungszahlung" für sinnvoll erachtet, da diese Spendenden erhebliche Risiken und Nachteile in Kauf nähmen und positiv auf die Mangelsituation an Spenderorganen einwirkten. Zudem könne es ein psychologischer Vorteil sein, wenn die empfangende Person wüsste, dass die spendende Person wenigstens einen finanziellen Ausgleich für ihr Opfer erhalten habe, wodurch häufig auftretende Schuldgefühle gemindert werden könnten. Von vielen Vertretenden aus Medizin, Recht und Ethik wird der Verkauf von Organen jedoch strikt abgelehnt. Organspenden gegen Entgelt seien mit der Würde des Menschen und der verfassungsrechtlichen Werteordnung nicht vereinbar und daher abzulehnen. Befürchtet wird vor allem die Ausbeutung ärmerer Bevölkerungsschichten, da sich diese vermutlich vermehrt dazu bereit erklären würden, Organe zu Lebzeiten zu spenden.
Neben der Idee, finanzielle Anreize für lebendspendende Personen zu schaffen, gibt es weitere Vorschläge mit Hilfe derer eine Ausweitung des Spendendenkreises erzielt werden soll. So wurde in den letzten Jahren vermehrt über die Überkreuz-Lebendspende diskutiert. Diese könnte für Personen, für die aufgrund fehlender Blutgruppenverträglichkeit und HLA-Typisierung eine Lebendspende unter Verwandten nicht möglich ist, lebensrettend sein.
Diskutiert wird außerdem über die Möglichkeit einer Ausweitung des Spendendenkreises durch die sogenannte anonyme Lebendspende ("Pooling"). Diese sieht vor, dass Organe zugunsten einer nicht von der spendenden Person bestimmten, ihr unbekannt bleibenden empfangenden Person gespendet werden. Nach den derzeit diskutierten Modellen soll die Spende in einen Pool erfolgen, um die Anonymität und den Ausschluss von Organhandel sicherzustellen. Die gespendeten Organe sollen dann nach ähnlichen Kriterien wie die für postmortale Spenden geltenden Regelungen verteilt werden.
(Tier-)Ethische Fragen bei der Xenotransplantation
Die (tier-)ethische Beurteilung der Xenotransplantation ist stark von der zugrundeliegenden philosophischen Perspektive abhängig. Zu unterscheiden sind dabei der Anthropozentrismus, demzufolge nur der Mensch einen genuin eigenständigen moralischen Wert besitzt, der Pathozentrismus, der Empfindungsfähigkeit und Interessenbesitz zum Ausgangspunkt moralischer Beurteilungen nimmt, der Biozentrismus, der jedem Lebewesen einen intrinsischen moralischen Wert zuweist und schließlich der Holismus, der sowohl die belebte als auch die unbelebte Natur als moralisch signifikant wertet und dessen moralische Beurteilungen sich nicht auf Individuen beziehen, sondern auf das Gesamtsystem. Darüber hinaus sind Binnendifferenzierungen zu beachten, etwa die Unterscheidung zwischen dem starken Anthropozentrismus, der nicht-menschlichen Entitäten keinen moralischen Wert zugesteht und dem schwachen Anthropozentrismus, dem zufolge nicht-menschliche Entitäten einen abgeleiteten moralischen Wert besitzen.
Die Xenotransplantation wird, in Abhängigkeit davon welche der soeben skizzierten Positionen zugrunde gelegt wird, unterschiedlich bewertet. Im starken Anthropozentrismus ist die Verpflanzung tierischer Organe zum menschlichen Nutzen unproblematisch. Da nur Menschen ein moralischer Status zukommt, sind Tiere jederzeit als Gebrauchsobjekte zu verstehen, die zum menschlichen Wohl genutzt werden dürfen. Der schwache Anthropozentrismus ermöglicht es, Tieren einen vom Menschen abgeleiteten moralischen Status zuzuordnen. So ist die Tierquälerei in einer kantischen Ethik deshalb problematisch, weil sie zu einer Verrohung der tierquälenden Person führe. Die verletzte Pflicht betrifft daher nicht einen moralischen Wert des Tieres, sondern die Einschränkung der Fähigkeit zur Empathie des Menschen. In diesem Sinne kann argumentiert werden, dass die Transplantation tierischer Organe dann gerechtfertigt ist, wenn das Tier nicht übermäßig leiden muss.
Der Pathozentrismus fasst primär die Fähigkeit, Leiden zu empfinden und Interessen auszubilden als eine für moralischen Status relevante Eigenschaft auf. Einige Pathozentrist*innen argumentieren dafür, dass die graduelle Einteilung des moralischen Wertes eines Lebewesens nicht abhängig von der Spezies ist – solche Theorien werden „speziesistisch“ genannt –, sondern von der Ausprägung der Fähigkeit, über Interessen zu verfügen. Daraus wiederum folgt die Symmetrieüberlegung, dass Lebewesen mit einer vergleichbaren Fähigkeit, über Interessen zu verfügen, auch vergleichbar behandelt werden sollten. Wenn also die Interessefähigkeit eines Pavians ähnlich stark ausgeprägt ist wie die eines Säuglings, der an einer Anencephalie erkrankt ist, einer Krankheit, bei der das Gehirn des Neugeborenen nicht vollständig ausgeprägt ist und dessen Lebenserwartung wenige Tage nicht übersteigt, dann dürfen entweder beiden Lebewesen die Organe entnommen werden oder keinem der beiden.
Kritische Stimmen wenden ein, dass dieser Ansatz das „Leid an sich“ zu minimieren versuche, dabei aber übersehe, dass Leid stets von einem Individuum erfahren werde. Da Leid an ein Individuum gebunden sei, müsse die Organentnahme bei einem leidensfähigen Lebewesen kategorisch ausgeschlossen werden. Die Leidensfähigkeit ist dabei nicht eine bloße Schmerzempfindung, vielmehr ist damit ein allgemeiner Begriff gemeint, dessen positiver Gegenbegriff das Wohlbefinden ist.
Der Biozentrismus schließlich weist allen lebenden Organismen einen genuin moralischen Status zu. Dabei ist eine weitere Gewichtung zwischen Menschen und Tieren auch im Biozentrismus möglich, der Unterschied zum Pathozentrismus liegt aber darin, dass nicht nur leidens- oder interessefähige Lebewesen einen moralischen Status besitzen, sondern alle Lebewesen, etwa auch Pflanzen. Aus dem Biozentrismus folgt daher weniger eine Forderung nach einer absoluten Gleichstellung allen Lebens in moralischer Hinsicht, sondern eher die Forderung nach einem schonenderen Umgang mit Tieren und Pflanzen.
In Deutschland wird mehrheitlich ein integratives Konzept vertreten, das anthropozentrischen und biozentrischen Ansätzen Rechnung trägt. Personen, die diesen Ansatz vertreten, gehen davon aus, dass Tieren zwar Rechte zukommen, dass sie jedoch nicht den gleichen (moralischen) Stellenwert wie Menschen besitzen. Dementsprechend befürworten sie die Xenotransplantation in Fällen, in denen die Erhaltung, Rettung, Förderung und der Schutz menschlichen Lebens betroffen ist.
Doch auch der Aspekt des Tierwohls im Rahmen des Eingriffes erfordert eine ethische Betrachtung. Das deutsche Tierschutzgesetz fordert bei Tierversuchen jeglicher Art ein, das Leiden des Tieres auf ein „unerlässliches Maß“ zu beschränken (§ 7 Abs. 1 Satz 1 TierSchG). Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, wenn die voraussichtlichen Schmerzen und Schädigungen „ethisch vertretbar“ sind (§ 7a Abs. 2 Satz 3 TierSchG).
Folgen der Xenotransplantation für den Menschen
Diskutiert wird ferner über eine sinnvolle Risiko-Nutzen-Analyse der Xenotransplantation. Im Mittelpunkt der Debatte steht zum einen die Frage, ob der finanzielle und logistische Aufwand, den die Forschung zur Xenotransplantation erfordert, gerechtfertigt ist, obwohl die Ergebnisse nur einer relativ kleinen Gruppe von Menschen, nämlich denjenigen, denen tierische Organe erfolgreich transplantiert werden, zugutekommt. Problematisch ist zum anderen, dass Forschung mit Menschen betrieben werden muss, um überhaupt Fortschritte auf dem Gebiet der Xenotransplantation erzielen zu können.
Befürwortende betonen den Nutzen, den die Xenotransplantation für Schwerkranke mit sich bringen könne. Kritische Stimmen verweisen indes darauf, dass die Übertragung tierischer Organe auf den Menschen mit unabsehbaren Risiken verbunden sei. Als Risiken werden vor allem Infektionen und Abstoßungsreaktionen diskutiert. Da sich der menschliche Organismus von dem des Tieres unterscheidet, können sowohl Infektionen als auch Abstoßungsreaktionen in noch viel größerem Maße auftreten als dies bei der Übertragung menschlicher Organe der Fall ist. Problematisch ist nicht nur die Möglichkeit der Übertragung bereits humanpathogener Infektionserreger, sondern auch, dass sich bislang nicht humanpathogene Erreger durch die Transplantation zu solchen entwickeln könnten. Uneinigkeit besteht in der Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich ein solcher Infektionserreger herausbildet. Um der medizinethischen Anforderung gerecht zu werden, dass zu behandelnde Personen über mögliche Risiken informiert werden, wird die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Möglichkeit eines neuen Infektionserregers gefordert. Ferner wird die Gefahr diskutiert, dass die Bereitschaft Organe postmortal oder auch lebend zu spenden sinken könnte, wenn tierische Organe zur Verfügung ständen, wodurch wiederum ein Organmangel an „qualitativ hochwertigeren“ menschlichen Organen entstehen könnte.